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Über Lorking
(Walhalla, 1869, Nr. 87)
Lorkzing8 Kenntnis des dramatisch Wirkenden in der
Musik ist außerordentlich. Seine Ensemblescenen zeigen eine
klare einfache Disposition und sind mit wenig Mitteln auf
eine fast leichtfertige Art gemacht. Doch erscheint das, was
auf dem Papiere mangelhaft aussieht, auf der Bühne voll
und rund und verfehlt nicht seine Wirkung. Seine Opern
sind gleich vielen anderen Kunstwerken für das TageS8be-
dürfnis geschaffen und haben doch auf die Dauer befriedigt.
Lortzing begnügt sich meistens mit dem bloßen Andeuten
der obwaltenden Verhältnisse, aber seine Logik ist so richtig,
daß feinem Zuhörer über seine Intention ein Zweifel bleibt
und ihm eigentlich gar nicht das Bewußtsein kommt, daß
er einen Teil der JUusion zu ergänzen habe. Wie ganz
anders bei Wagner, welcher seiner inneren Logik so wenig
vertraut, daß er alles geben, die JUusion ganz auf der
Bühne vorhanden sehen und der Phantasie des Zuhörers
und Beschauer38 nichts überlassen möchte zur eigenen Be-
arbeitung, aus gerechter Furcht, daß man aus seinen un-
deutlichen Prämissen keine oder nur falsche Schlüsse kon-
struieren könnte. Auf der einen Seite also die weitgehendste
JUlusion bis herab zum Abendstern, der auch bei der letzten
Aufführung des „Tannhäuser“ am Sonntag wieder persön-
lich auf der Bühne erschien, um das ihm zugedachte Ständ-
<en anzuhören, auf der anderen Seite die sehr problematische
Wahrscheinlichkeit, daß Wolfram von Eschenbach nachts im
Walde mit der Harfe spazieren geht und Prochsche Lieder
fsinat. =