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jener bildlichen Wucht, welche die alten Werke auszeichnet, und
wie sie noch Cornelius im hohen Grade zu Gebote stand.
Großheit der Form sowohl in den Figuren wie in den
Gruppen besißen sie verhältniSmäßig wenig, sind dagegen
mit leichtem, plastischem Sinn und einem sehr generellen
Schönheits8gefühl anmutig abgerundet, und die für große
Werke oft bedingte Herbheit der Linie ist bei ihm zu einer
bestechlichen Gefälligkeit abgeschwächt, welche für gedanken-
loses Genießen wie geschaffen ist. Es ist eine Musik ohne
die Gewalt der Dissonanzen, zu deren Schöpfung, Durch-
führung und Lösung der Meister, welcher jeglichem tief-
gründenden, gedankenzeugenden SkeptiziSmus ferne steht,
nicht die Kraft besitzt. Was die Komposition der Bilder
als Lichtererscheinung anlangt, die Teilung der Licht- und
Schattenpartien in gegliederte Massen, welche, soweit sie von
der linearen Gestaltung des Bilde8 unabhängig ein eigenes
Gebiet der malerischen Anschauung vertritt, in den Werken
großer Meister oft allein schon eine Welt an Reichtum und
Klarheit der Form, Größe der Konzeption war, so blieben
die modernen Vertreter des hohen Stils bekanntlich von
jeher beim A B CL stehen.
Seine Figuren und Gruppen sind nicht, was sie vor-
stellen; sie bedeuten es nur. Auch die Kompositionen im
großen kommen über die bloße Symbolik nicht hinaus und
besigen weder im ganzen noch in den Teilen ein geistiges
Zentrum, das rein menschlich zu verstehen wäre, das von
der reinen, tiefgehenden, untrüglichen Kunstempfindung, die
zu ihrer wirklichen Befriedigung einen bestimmten Grad von
Sättigung mit menschlicher Wahrheit vom Kunstwerke ver-
langt, aufgefaßt werden könnte, ohne Beihilfe der lediglich
dem kenntnisreichen Verstande angehörigen Jdee. Diese ist
aus einem fremden Gebiete gegriffen, hat a priori mit der
künstlerischen Anschauungswelt nichts zu thun und kommt
demnach, sei sie nun seicht oder tief, weit oder eng, zur Be-
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