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stimmung der individuellen Künstlernatur, nach Qualität
und Umfang, gar nicht in Betracht Diese Jdeen, welche
leider fast das einzige geistige Bindemittel in Kaulbachs
Bildern sind, erscheinen in denselben nur repräsentiert, nicht
verkörpert, und sind zum größten Teile eigentlich gar nicht
in der Darstellung vorhanden, sondern nur an ihren beiden
Polen, der ideellen Conzeption einerseits und der nur ver-
suchten bildlichen Wiedergabe andererseits, im Gemälde
fixiert, während die gesamte Mitte nur aus einer Minus-
größe besteht, einer Differenz zwischen Gedanke und sichtbar
Dargestelltem, welche der in einer merkwürdigen Selbsttäuf <ung
befangene, wissende Verstand des Beschauers8 als wirklich
vorhandene Vorstellung auf die Leinwand projiziert.
Aber diese (oft sehr billigen) Jdeen sind es, was der
gesamten Künstlerschaft, besonders dem Nachwuchse, von
jeher an Kaulbachs Bildern imponiert hat. Und mit Recht.
Denn es imponiert ihnen naturgemäß nur das an den Bildern,
was sie selbst nicht haben. Das ist der große geistige Ge-
sichtskreis eines humanistisch gebildeten Menschen, der mit
einem bedeutenden encyclopädischen Wissen gesättigte kombi-
nierende Verstand des Meisters. Das Malen allein macht
es nicht aus ; ein bedeutender Mensch muß hinter dem Maler
stehen, ein geschulter Verstand, eine bestimmte Summe von
Kenntnissen, die den gebildeten Menschen ausmachen und ihn
zu einer wohlzubeachtenden geistigen Kapazität erheben.
Rubens, Michelangelo, Leonardo, Dürer waren nicht nur
die bedeutendsten Künstler ihrer Zeit, nicht nur gebildete
Männer, die auf der Höhe ihrer Kultur standen, sondern
sie waren die Spißen und Träger dieser Kultur, fast in
allen Lebensgebieten maßgebende Autoritäten. Wenn unsere
jüngeren Künstler, denen weder Witz noch Scharfsinn abzu-
sprechen ist, einen stärkeren und wahreren Kunsttrieb in sich
wirken fühlen, als sie in Kaulbachs Bildern ausgesprochen
sehen, ja wenn sie sogar einen viel tieferen Ernst der künstle-
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