Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

5901 
vollständig ausreichend, wenn man bedachte, daß überhaupt 
jene Wucht der Erscheinung und der Stimme selten wird 
gefunden werden, mit welchen solch re>enhafte Gestalten 
ohne einen Abfall der erwarteten JUlusion zur Darstellung 
gebracht werden können. Es hat immer etwas Mißliches, 
wenn eine breitgeschürzte, mit störend reichem Haarwuchse 
ausgestattete Walküre ihren eruptiven Leidenschaften, welche, 
wenn man dem Orchester glauben darf, wie eine Elementar- 
gewalt hervorbrechen, mit einer modernen, dünnklingenden 
Frauenstimme Ausdruck leiht. Wenn diese Oper in München 
nicht auf die Dauer interessiert (vom Gefallen dürfte über- 
haupt weniger die Rede sein), so liegt die Schuld gewiß 
weder an der Kapelle, no< an der Regie, no< an den mit- 
wirkenden Künstlern, no<g an der Leitung des Ganzen, 
sondern an dem Werke selbst. Viel besser hätten es die 
berufensten Wagnerapostel auch nicht auf die Beine gebracht. 
Die Musik bot für solche, welche Wagner überhaupt 
schon kennen, nichts wesentlich Neues und erinnerte in der 
Hauptsache auffallend an „Tristan“, mit welchem die Oper 
auch in vielen Situationen verwandt ist. Dieselben un- 
gesunden, undefinierbaren Liebschaften, welche gerne in so- 
genannte stumme Scenen a'!8arten, in denen das Liebe8paar 
in visionär verzücktes gegenseitiges Anstaunen gebannt ist und 
das fommentierende Orchester in eine unbegreifliche Exalta- 
tion gerät, spielen auch in dieser Oper eine hervorragende 
Rolle. Alle Gestalten sind mit einer merkwürdigen Energie 
non außen her auf eine sehr hörbare und naheliegende Weise 
<arafkterisiert, nicht aber von innen heraus empfunden und 
mit menschlicher Wahrheit ausgestattet und lebensfähig ge- 
macht. Es sind wesenlose Schemen, deren Leidenschaften 
man nicht begreift, welche nie den hinter ihnen stehenden 
herrischen, reflektierenden Willen des Komponisten vergessen 
machen, der sie zu dieser und jener Ungeheuerlichfeit aufbläht. 
Gewiß lebt in diesen Werken ein eigensinnige38, aber 
I
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.