Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

nicht ungetrübtes Künstlernaturell, ein nur auf das Große 
gerichteter Wille und ein seltener künstlerischer Ernst; aber 
die bedenkliche Confusion, in welche bei Wagner die erkannten 
Kunstbedingungen geraten sind, zeigen uns, wie sehr in ihm 
der originelle Mensch den originalen Künstler überwiegt. 
Viel richtige Detailerkenntnis erliegt hier falschen, einseitig 
konstruierten generellen Prinzipien, so daß der merkwürdige 
Fall eintritt, daß bei aller dramatischen Intention des Gin- 
zelnen das Ganze doch nicht dramatisch wirkt und eine wirk= 
lich unanalysierbare Mischung von Spannung und Langeweile 
entsteht. Auch in der „Walküre“ finden sich Einzelheiten 
von hoher Schönheit, merkwürdige Harmonie- und Instru- 
mental-Combinationen, welche, wenn auch durchaus unter 
dem fehr begrenzten Wagnerschen Sehwinkel gelegen, so 
voch den Beruf und die Eigenart ihres Schöpfers genugsam 
kennzeichnen; an eigentlicher Erfindung aber ist diese Oper 
so arm wie die übrigen. Die stehenden Motive, die sich nie 
zu einem Thema gestalten und den Personen bei jeder Ge- 
legenheit wie Spruchzettel aus dem Munde hängen, fehlen 
auch hier nicht; doch scheinen sie dieSmal, wenn man nach 
einmaligem Anhören schließen darf, weniger aufdringlich zu 
sein, obwohl die Instrumente im Orchester mit denselben 
wacker Ball spielen. Im übrigen dieselben endlosen Er- 
zählungen als prosaische Rederecitative auf dem unruhigen, 
bald strebenden, bald zurücksinkenden, verlöschenden und 
traumhaft nach aus der Bahn gegangenen Gesetzen planlos 
webenden Orchesterhintergrunde; dasselbe Suchen und Tasten 
nach einem naheliegenden und nie erreichten Ziele, nach Ruhe, 
Abschluß und Bedeutsamkeit, die sich aus dem <aotischen 
Wirrsal fortwährend zu entwickeln scheinen und doch nie 
zu stande kommen; dieselbe berauschende Musikspinnerei mit 
den ewig hervorquellenden süßen Tönen und Ansäßen, welche 
auftauchen wie Luftblasen in regel- und ruhelosem Wellen- 
schlage eines unabsehbaren Oceans; dieselbe polyphone Ge- 
2()2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.