nicht ungetrübtes Künstlernaturell, ein nur auf das Große
gerichteter Wille und ein seltener künstlerischer Ernst; aber
die bedenkliche Confusion, in welche bei Wagner die erkannten
Kunstbedingungen geraten sind, zeigen uns, wie sehr in ihm
der originelle Mensch den originalen Künstler überwiegt.
Viel richtige Detailerkenntnis erliegt hier falschen, einseitig
konstruierten generellen Prinzipien, so daß der merkwürdige
Fall eintritt, daß bei aller dramatischen Intention des Gin-
zelnen das Ganze doch nicht dramatisch wirkt und eine wirk=
lich unanalysierbare Mischung von Spannung und Langeweile
entsteht. Auch in der „Walküre“ finden sich Einzelheiten
von hoher Schönheit, merkwürdige Harmonie- und Instru-
mental-Combinationen, welche, wenn auch durchaus unter
dem fehr begrenzten Wagnerschen Sehwinkel gelegen, so
voch den Beruf und die Eigenart ihres Schöpfers genugsam
kennzeichnen; an eigentlicher Erfindung aber ist diese Oper
so arm wie die übrigen. Die stehenden Motive, die sich nie
zu einem Thema gestalten und den Personen bei jeder Ge-
legenheit wie Spruchzettel aus dem Munde hängen, fehlen
auch hier nicht; doch scheinen sie dieSmal, wenn man nach
einmaligem Anhören schließen darf, weniger aufdringlich zu
sein, obwohl die Instrumente im Orchester mit denselben
wacker Ball spielen. Im übrigen dieselben endlosen Er-
zählungen als prosaische Rederecitative auf dem unruhigen,
bald strebenden, bald zurücksinkenden, verlöschenden und
traumhaft nach aus der Bahn gegangenen Gesetzen planlos
webenden Orchesterhintergrunde; dasselbe Suchen und Tasten
nach einem naheliegenden und nie erreichten Ziele, nach Ruhe,
Abschluß und Bedeutsamkeit, die sich aus dem <aotischen
Wirrsal fortwährend zu entwickeln scheinen und doch nie
zu stande kommen; dieselbe berauschende Musikspinnerei mit
den ewig hervorquellenden süßen Tönen und Ansäßen, welche
auftauchen wie Luftblasen in regel- und ruhelosem Wellen-
schlage eines unabsehbaren Oceans; dieselbe polyphone Ge-
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