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sprächigkfeit der Instrumente, welche das Ohr nicht mehr
unterscheidend auffassen kann.
Jeder Akt ist eine Nummer, eine endlose Periode ohne
Interpunktionen. Die Melodienbildung, wenn man von
einer solchen sprechen darf, ist im kleinen das Bild des
großen Ganzen. Ein geschlossener Passus beginnt gewöhnlich
mit einem hübschen Ansaß und bahnt sich dann, das Ohr
in jeglicher Erwartung täuschend, meist leidenschaftlich einen
labyrinthischen Weg, sehr geistreich, aber voll Eigensinnig-
feit, die wie Willkür erscheinen möchte, wenn man nicht ein
besonderes suchendes Kunstnaturell auch als berechtigt an-
erfennen wollte. Eine intensive, oft feine Empfindung ist
hier in eine Form gekleidet, welche uns zwar sehr gefallen
mag, die wir uns im Augenblik des Hörens auch nicht
anders wünschen, deren konkrete Notwendigkeit wir aber
nicht einsehen. Das Gefühl, daß es „der einzige Weg durch
die einzige Bahn“ sei, haben wir nicht. Wir fühlen die
Nichtigkeit der Empfindung ohne die logische Gewalt der
bildnerischen Erscheinung, welche dogmatisch auftreten und
ohne einen Zweifel auffommen zu lassen, uns zum Glauben
zwingen sollte, die uns alle weiteren Möglichkeiten der for-
malen Gestaltung vergessen ließe. Im Gegenteil haben wir
hier immer die Empfindung eines unausgemessenen unred-
lichen Reiches der Töne, welches Milliarden möglicher Com-
binationen birgt, von denen uns einige schnell herausgegriffene
Proben gegeben werden.
Doch wir wollen nicht Ästethik treiben, sondern wieder
zu unserer Oper zurückkehren. Der dritte Akt der „Walküre“
leistet das Äußerste in lärmender Musik oder musikalischem
Lärm. Diese fortgesezte Ohrenbetäubung ist wirklich be-
frvemdend, und das Orchester, vor welchem die mundöffnen-
den Sänger zu „brüllenden Nachtigallen“ herabsinken, ist in
unglaublicher Weise angestrengt. Die gesanglichen Partien
sind natürlich ohne Rücksicht auf Menschenmöglichkeit geseßt,
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