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Wenn ein Bild durch Porträttreue, Kostüm und Um-
gebung den Kundigen an einen bestimmten historischen Vorgang
erinnert, oder durch geschickt angebrachte Beziehungen den
Beschauer die Entstehungsgeschichte der gegebenen Situation
erraten läßt, so. ist damit für die Kunst im Bilde noch gar
nichts gewonnen. Die imponierendsten Geschichts- und unter-
haltendsten Genrebilder können künstlerisch ganz wertlos sein
und sind das gewöhnlich auch.
Man kann niemanden malen wie er eben diesen oder
jenen Gedanken ausspricht oder gar gerade eine wichtige
Erfindung macht. In solchen Darstellungen liegt kein not-
wendiger Zwang für den Beschauer, sich dasselbe zu denken,
was der Künstler will, und vor allem liegt in der Jdee des
Bildes keine künstlerische Qualität. Man kann ihn nur in
einer menschlichen Lage, herausgegriffen aus der reichen
Skala des Gemütslebens darstellen.
Man kann wohl ein Zeremonienbild, aber keinen König
malen, wie er seinem Lande eine Verfassung giebt oder ein
TodeSurteil ausspricht. Wenn ein Maler glaubt, so etwas
ließe sich anders als durch den darunter gesetzten Titel aus-
drücken, so darf man das keclich al8 einen Beweis ansehen,
daß er über das Wesen seiner Kunst im unklaren ist.
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Für das Berhältnis eines Künstlers zur absoluten Kunst
ist es durchaus gleichgültig, in welcher Zeit er lebt. Das
Bildungsmaterial seiner Zeit und die Art es zu bewältigen,
genügen ihm vollfommen, den Empfindungen seines Innern
Ausdru> zu verleihen. Würden scine bildnerischen Em=-
pfindungen über die Fähigkeit seiner Darstellungsmittel
hinausgehen, so wäre für ihn auch die Erweiterung der-
selben notwendig gefunden.
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