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liegen bleibe und auf halbem Wege verende, so will ich mit
dem lezten Hauche meines Athems den letzten innigsten
Seufzer meiner Liebe aussenden nach Dir, und er wird
Dich treffen, seist Du auch im entferntesten Lande. Adieu
für heute.
Adolph.
10. Februar 1865.
Ich hörte Fräulein Patti singen. Jc< ging mit eigen-
tümlichen Erwartungen in das Concert. J< glaubte ihr
Gesang werde sein; groß und schön, antik und tadellos, das
Höchste in Schule und Technif, marmorkalt und marmoxr-
schön, zum Anstaunen und Bewundern, aber nicht geschaffen
für warme Liebe und Empfindung. I< wurde enttäuscht,
wie noch nie. Ich weiß nicht mehr, welche Musik sie sang,
aber nach dem Programm war sie zweifellos schlecht, ja ich
weiß kaum mehr, wie sie es sang, ich weiß nur noch, daß
statt der erwarteten, vollen klassischen Stimme ich eine feucht-
wehmüthige, mädchenhaft scheue und schüchterne Stimme
hörte, die mir wie ein glühender Strahl durch das Herz
fuhr, so kindlich und klagend, so naiv und ursprünglich, daß
mir die Thränen schon bei den ersten Tacten mit unwider-
stehlicher Macht hervorbrachen. I< kann unmöglich sagen,
welche Millionen von Gefühlen und Erinnerungen mich be-
stürmten. Ich war wieder ein Kind, und mit mir sprach
die große Mutter Natur, die von jeher ein Kind war und
geblieben ist. Sie sang wie ein Vogel so unmittelbar und
so leicht, aber wie ein gefangener Vogel, ein fremder, dessen
Stimme so lieblich und heiter ist“ wie das Land in dem er
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