geboren und der mit dieser lieblichen Stimme klagende Lieder
de8 Heimweh's singt. Drum frug ich mich auch nicht, was
sie singe, so wenig als ich mich je so fragen konnte beim
Gesange einer Nachtigall. Ihre Stimme ist wie ein Beethoven-
sc<es Scherzo, klingt heiter und lustig und erweckt in der
Seele den Nachklang süßer Traurigkeit, führt uns hinaus in
das weite unbeschreibliche Meer des Geisterreichs -- auf den
Rhythmen des Tanze8. Man sagt, sie habe keine Schule;
fie braucht auch keine; denn sie ist selbst eine; man sagt
auch ihr Vortrag sei ohne Seele; es ist auch nicht noth-
wendig; denn in einem einzigen Ton ihrer Stimme liegt
mehr Seele als in allen seelenvollen Vorträgen aller Sänge-
rinnen, die ich je gehört. In flammender Klarheit stand es
vor meiner Seele: Zum ersten Male hörst Du einen singenden
Menschen. --
Neujahrönacht 1865/66.
Mein liebstes, bestes Gretchen!
In einer Stunde stehen wir in einem neuen Jahre,
einem Jahre, in dem ich für unser Glück Alle38 hoffe. --
Die lezte Stunde eines Jahre8, das mich mit meinem innig-
geliebten Gretchen enger verknüpfte, als durch das bloße
Band der Neigung, diese lezte Stunde sei jezt, wo Alles
stille um mich geworden, dem lebhaftesten Andenken an Dich
geweiht. Mit jenen Gefühlen, die während des ganzen Jahres
die herrschenden waren in meinem Herzen, die mich nie ver-
ließen, ob Sturm, ob Sonnenschein, ob Tag ob Nacht, im
Schlafe als Lust und Wehe halbbewußt nachklangen und in
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