Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

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München, 9. Oktober 1888 
Sehr verehrter Freund ! 
Bon Rechtswegen sollte ich jeden Brief mit Entschul- 
digungen der bei mir habituell gewordenen Verspätung be- 
ginnen. I< muß dafür nächstens eine Formel drucken 
lassen. 
Zhr Plan einer Ausgabe <ristlich-germanischer Bieder- 
maier-Compositionen sagt mir sehr zu, erstens, weil man gute 
Dinge dem homo sapiens gar nicht oft genug unter die 
Nase reiben kann, zweitens, weil sie wieder deutlich machen 
wird, wie schnell die Kunst vergißt und wie langsam sie 
erwirbt. In der Thatsache einer solchen Edition in unseren 
Tagen mag der Geschichtspsycholog von später einmal den 
Beweis sehen, daß wir allmählich beginnen jene Kunst ob- 
jeftiv zu genießen oder um mit Kant zu reden, „ohne Inzer- 
esse“ als Kunst zu ertennen. Der frühe Cornelius ist aller- 
dings hier, aber gar nicht schmeichelhaft für seinen Autor. 
Bon Schwind weiß ich hier in öffentlichem Besitz nichts 
Passendes. Dagegen finden sich im Nachlasse einex Freunvin 
Schwinds etliche 30 Blätter, worunter 3 größere Compo- 
sitionen, deren eine mir für Ihr Unternehmen passend scheint. 
Die Sachen sind uns gegenwärtig angeboten, auch zum An- 
fauf vorgeschlagen. Das Resultat schlummert noch im 
Schooße der Götter. R... hat seine Rethelzeichnung als 
theures Andenken und vertheidigt sie mit seinem Leben ; er 
war förmlich gekränkt durch die Frage, ob er sie verkaufe. 
I< beruhigte sein erregtes Gemüth und ging mit dem Gefühl 
ein Attentat begangen zu haben, ab. Vom Bildhauer Diez 
hat feiner meiner fünf Sinne etwas bemerkt, ich war aber 
auch bis vor Kurzem in Bruck und kam wenig nach München. 
Adolph Bayer3dorfer „Ws
	        
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