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Es ließ ihn gleichgültig, ob man ihm Dank wußte für
seine Gaben oder nicht. Mit Recht ist auf ihn das Wort
Lao-tse8 bezogen worden: „Er hält in seinen Armen das eine
Ding und zeigt es allen: Bescheidenheit. Er bleibt im
Duüntel und darum alänzt er; er ist frei von Selbst-
behauptung und darum ist er ausgezeichnet, von Selbst-
ruhm und darum ist sein Verdienst anerkannt, von Selbst-
gefälligfeit und darum gewinnt er Überlegenheit. Alle be-
siegt er, der sich des Kampfes enthält.“
Wiewohl den frühen Italienern und Deutschen seine
liebevollste Aufmerksamkeit gehörte, übersah er doch, frei
von jedem Specialistentum, das ganze Gebiet der bildenden
Künste, die Antike keine8wegs ausgenommen. Die seit 1339
unter Franz v. Rebers und seiner Redaktion erschienenen
Hefte des „Klassischen Bilderschazes“, denen seit 1896 eine
parallele Publikation unter dem Titel „Klassischer Skulp-
turenschaß“ folgte, legen Zeugnis für die Weite seines Über-
blides ab. Den Meistern seiner Herzenswahl widmete er
das Prachtwerk von 26 Facsimiledrucken nach „Zeichnungen
alter Italiener in den Uffizien zu Florenz*) und vor allem
seine Thätigkeit in der Leitung der „Kunsthistorischen Gesell-
schaft für photographische Publikationen“. Seiner Anregung
verdankt man auch die von F. von Marcuard besorgte
Heraus8gabe der „Zeichnungen Michelangelos im Museum
Teyler zu Haarlem“,**) die dem jungen kunsthistorischen
Institute in Florenz dargebracht ist.
Auch mit dieser Zentrale der deutschen kunstgeschicht-
lichen Forschung in Italien ist Bayersdorfers Name aufs
innigste verbunden. Den Mangel einer solchen Arbeitsstelle
an dem Ort, wo ein fast unerschöpfliches kunsthistorisches
=) München 1893. Verlagsanstalt Bru>mann. Preis in Mappe
60 Mark.
2) München 1901. Verlagsanstalt Bru>mann. Preis gebunden
590. Mark.