Full text: Vorträge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts (3. Band)

144 Über die Grundlagen der Lohnregelung in der Optischen Werkstätte. 
nämlich die Frage des Verhältnisses, in welchem die Zeit- 
arbeit zu der Akkordarbeit steht. Das führt mich auf den 
Punkt, der Veranlassung zu der heutigen Versammlung gewesen ist. 
In unserem Betriebe zerfällt die Arbeiterschaft in zwei Gruppen, 
in eine kleinere Gruppe, die nur im Zeitlohn arbeitet — dazu ge- 
hören die Beamten, die gleiches Interesse haben, mit den Arbeitern 
im Zeitlohn — und in eine größere Gruppe, die im Akkord arbeiten, 
und denen durch die Stückarbeit die Möglichkeit geboten ist, in 
derselben Zeit mehr zu verdienen, als die anderen im Zeitlohn. Die 
Frage ist nun: nach welcher Richtschnur soll das Ver- 
hältnis des Arbeitsertrages bei sonst gleicher Tätigkeit 
im Akkord- und Zeitlohn geordnet werden? Wir sind leider 
zu spät aufmerksam geworden auf die Bedeutung, welche eine 
Regelung dieses Verhältnisses für uns hat. Es sind Abnormitäten 
entstanden, die jetzt korrigiert und beseitigt werden müssen. 
Welches sind die Grundsätze, welche meiner Meinung nach 
anerkannt werden müssen? Es steht ganz fest, daß die Beschäftigung 
in Stückarbeit für den Unternehmer wie für den Arbeiter, 
also für beide Teile, vorteilhafter ist und nicht mißbräuchlich 
zu sein braucht. Für den Unternehmer ist sie deshalb vorteil- 
hafter, weil unter diesem System mit denselben Mitteln und den- 
selben Personen mehr geleistet wird, als bei Einführung des Zeit- 
lohnes — und für die Beteiligten deshalb, weil sie die Möglichkeit 
haben, wenn die Einrichtungen danach sind, mit mäßiger 
Mehranspannung der Kräfte eine entsprechend höhere Leistung 
und einen Mehrertrag ihrer Arbeit zu erzielen. 
Wenn ich sage: „die Einrichtungen müssen danach sein“, so 
hat das seinen guten Grund; denn ich will nicht haben, daß man 
sagen kann: „Akkordarbeit ist Mordarbeit!“ Das setzt also voraus, 
daß die Einrichtungen so beschaffen sein müssen, daß sie wirklich 
einen Mehrertrag der Arbeit im Akkordlohn gegenüber dem Zeit- 
lohn sichern. 
Unsere Einrichtungen gingen von jeher ihrer Absicht nach 
darauf hinaus, die Akkordarbeit so zu regeln, daß jeder Neuein- 
tretende die bestimmte Aussicht hat, mit gewöhnlicher Anspannung 
seiner Kräfte durch größere Ökonomie der Zeit, durch größere 
Aufmerksamkeit, in derselben Zeit mehr zu verdienen, als wenn er 
die Arbeit im Zeitlohn verrichten müßte. Das muß also im Prinzip 
anerkannt werden, daß es immer so sein muß. Die Frage ist nur 
die nach dem „Mehr“ oder „Minder“. Wenn der Betreffende wirklich
	        
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