A. Allgemeine Lehren. VI. Schutz der Rechte. 31
Erbenlegitimation wird durch den Erbschein begründet. Wer durch einen
Erbschein als Erbe ausgewiesen ist, kann zugunsten des gutgläubigen
Dritten wirksam alle Verfügungen vornehmen, wie wenn er der wirkliche
Erbe wäre, mag er nun in Wahrheit Erbe sein oder nicht: ihm können
die Erbschaftsschuldner wirksam zahlen, er kann eine Erbschaftsforderung
wirksam abtreten usf. Immer hat der Legitimierte zugunsten des gut-
gläubigen Verkehrs die Rolle eines Verfügungsberechtigten (bzw. eines
Erbberechtigten).
Die Rechtssätze über die Legitimation, von denen im vorigen nur
einige Beispiele gegeben sind, finden sich in den mannigfaltigsten Formen
überall im bürgerlichen Gesetzbuche. Sie sind über das gesamte neue
Recht ausgebreitet und geben dem Verkehrsrecht des bürgerlichen Ge-
setzbuchs sein eigenartiges Gepräge. Sie gelten für alle Arten der Ver-
fügungsgeschäfte (Leistungsgeschäfte). Sie sichern den gutgläubigen Ver-
kehr schlechtweg. Legitimation ist nach dem bürgerlichen Gesetzbuche
besser, stärker, als Berechtigung. Die Geldwirtschaft, die einen un-
ausscheidbaren Bestandteil der Kultur der Gegenwart bedeutet, hat auch
die Rechtssätze des bürgerlichen Gesetzbuchs von der Legitimation
diktiert: das Interesse am Schutz des Austausches, des Umsatzes der
Güter ist stärker als das Interesse an der Aufrechterhaltung des be-
stehenden Rechts.
VI. Schutz der Rechte. Der Schutz der Rechte gegen tatsächliche Verbot der
Verletzung kann nur ausnahmsweise durch die Eigenmacht des Berechtigten Sa
vermittelt werden. Wie, nach bisherigem gemeinen Recht, so ist auch
nach dem bürgerlichen Gesetzbuche die Selbsthilfe grundsätzlich nur im
Notfall gestattet: soweit obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen
ist. Der Grundsatz für den Rechtsschutz lautet: Staatshilfe, nicht Selbst-
hilfe. Es bedarf des Gerichtsverfahrens, des Prozesses, um die Wieder-
herstellung des verletzten Rechts zu erzwingen. Hier ist der Punkt, wo
das Privatrecht sich dem Öffentlichen Recht einordnet: das Privatrecht
wird ergänzt durch das öffentliche Recht.
Das Gerichtsverfahren für Privatrechtsstreitigkeiten ist in der Zivil-
prozeßordnung geregelt, nicht im bürgerlichen Gesetzbuche. Die scharfe
Scheidung zwischen den (öffentlich rechtlichen) Rechtssätzen vom Ver-
fahren und den für das Sachverhältnis geltenden Rechtssätzen des Privat-
rechts ist vom bürgerlichen Gesetzbuche grundsätzlich durchgeführt. So
ist denn auch an dieser Stelle im bürgerlichen Gesetzbuche nicht von der
Klage die Rede, sondern nur vom Anspruch.
Anspruch im Sinne des bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Leistungs- Anspruch.
anspruch, d.h. das private Recht auf gegnerische Leistung. Der Anspruch
erwächst dem Privatrecht, soweit die Verwirklichung des eigenen Rechts
einer fremden Handlung bedarf. Insoweit besteht das Bedürfnis nach
staatlichem Schutze, um den nicht freiwillig leistenden Gegner zu der