Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

C. Das Sachenrecht. I. Wesen der Sachenrechte. Il. Fahrnis und Liegenschaft. 53 
torische dingliche Klage gegen einen störenden Dritten muß vom Ver- 
pächter erhoben werden. 
Die Sachenrechte sind entweder Nutzungsrechte, d.h. sie geben recht- Arten der 
liche Macht über den Körper der Sache: so das Eigentum, das Erbbau- Sachenrechte: 
recht, der Nießbrauch, die Grunddienstbarkeiten. Oder sie sind Ver- 
schaffungsrechte, d.h. sie geben rechtliche Macht nur über das Recht an 
der Sache (das Eigentum): so die Hypothek, die Reallast, das dingliche Vor- 
kaufsrecht, das Pfandrecht an Fahrnis. Die dinglichen Nutzungsrechte 
(vor allem das Eigentum) bilden den Mittelpunkt des Sachenrechts, ja des 
ganzen Vermögensrechts. Sie geben unmittelbare Machterweiterung und 
sind darum von gegenwärtigem Werte. Sie sind durch ihren Inhalt 
befriedigt, sind um ihres Daseins willen da, tragen nicht jene Sehnsucht 
nach dem eigenen Untergange in sich, welche die Forderungsrechte und 
im wesentlichen ebenso die dinglichen Verschaffungsrechte kennzeichnet. 
Sie besitzen ihren Gegenstand und genießen den Augenblick. Sie sind 
der Zweck des Vermögensrechts und des Vermögensverkehrs. 
Il. Fahrnis und Liegenschaft. Das frühere gemeine deutsche 
Sachenrecht beruhte auf dem römischen Recht des Corpus Juris, das 
sachenrechtlich keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Arten der 
Sachen machte. Für das Eigentum am Grundstück galt das gleiche Recht 
wie für das Eigentum an einem Stück Löschpapier.. 
Das mittelalterliche deutsche Recht hatte einen anderen Standpunkt. Mittelalterliches 
In den Zeiten der Naturalwirtschaft spielt der Grundbesitz selbstverständlich Sachenrecht 
eine ganz andere Rolle als die Fahrnis. Der Grundbesitz ist alles, Fahrnis 
ist nichts. Der Grundbesitz ernährt den Mann; fahrende Habe kann in 
der Hauptsache nur als Ausstattung des Grundstücks in Frage kommen. 
So ist im deutschen Mittelalter das Grundstück der Aristokrat unter den 
Sachen. Der Grundbesitz ist privatrechtlich privilegiert. Er hat sein be- 
sonderes Sachenrecht. Das Liegenschaftsrecht ist viel höher entwickelt, 
als das Fahrnisrecht. Die verschiedensten rechtlichen Herrschaftsformen 
über das Grundstück kommen zur Ausbildung, während an Fahrnis in der 
Hauptsache nur Eigentum möglich ist. Die ganze öffentlichrechtliche Ge- 
schichte des Mittelalters spiegelt in der Ausgestaltung des Liegenschafts- 
rechts sich wider. Neben dem Eigentum am Grundstück entwickelt sich 
das Lehnrecht des Rittersmanns, das bäuerliche‘ Leiherecht, das städtische 
Leiherecht, das Leibzuchtsrecht, das Satzungsrecht, die Reallast usf. Das 
Fahrnisrecht des Mittelalters ist arm im Vergleich mit dem Liegenschafts- 
recht. 
So hat denn auch das Mittelalter für den Grundbesitz besondere Ver- 
kehrsformen ausgebildet. Der Fahrnisverkehr vollzieht sich durch un- 
feierliche, der Grundbesitzverkehr durch feierliche Besitzübergabe. Fahrnis 
geht ohne weitere Umstände von Hand zu Hand; bei Grundbesitz- 
übertragung aber muß mit allen Glocken geläutet werden. Die feierliche
	        
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