RUDOLPH SOHM: System des bürgerlichen Rechts.
Die Frau Auch eine Frau kann zum Vormund bestellt werden. Sie, die einst
als Vormund. ger Vormundschaft bedurfte, kann jetzt selber Vormund sein. Ja es ist
möglich, daß die Ehefrau zum Vormund über ihren (entmündigten) Mann
bestellt wird. Die Frau der Gegenwart ist nach dem Recht des bürger-
lichen Gesetzbuchs nicht bloß vermögensrechtlich, sondern auch familien-
rechtlich der gleichen Rechte fähig wie der Mann.
Ober- Das Vormundschaftsgericht (das zuständige Amtsgericht) ist das Organ
Vormundschaft. ges Staates für die Ausübung seiner Obervormundschaft, Die Obervormund-
schaft war ursprünglich Aufsicht des Staates über den Vormund. Durch
das bürgerliche Gesetzbuch ist der Inhalt der obervormundschaftlichen
Gewalt wesentlich erweitert worden. Die Obervormundschaft bedeutet
heute auch ein gewisses Maß von Aufsichtsgewalt über die Ausübung
Ober- der elterlichen, ja der ehemännlichen Gewalt. Es ist schon bemerkt worden,
DM daß die Frau, der der Mann in Mißbrauch seiner Gewalt die Schlüssel-
die Ehegatten. geWalt beschränkt oder entzieht, das Vormundschaftsgericht anzurufen
berechtigt ist: die Obervormundschaft setzt sie wieder in ihre vollen
ehefräulichen Rechte ein. Geht umgekehrt die Frau ein Rechtsverhältnis
ein, durch das sie sich zu persönlicher Arbeitsleistung, z. B. als Handlungs-
gehilfin, einem anderen verpflichtet (das kann sie ohne Zustimmung
ihres Mannes, denn sie ist voll verpflichtungsfähig), so kann der Mann,
der nicht zugestimmt hatte, vom Vormundschaftsgericht, d. h. von der Ober-
vormundschaft die Ermächtigung zur Kündigung des Rechtsverhältnisses
erwirken. Andere Fälle obervormundschaftlicher Entscheidung begegnen
im ehelichen Güterrecht.
Obervormund- Vater und Mutter als Träger der elterlichen Gewalt sind nach dem
ve bürgerlichen Gesetzbuche in ähnlicher Weise wie ein Vormund der ober-
Eltern Vormundschaftlichen Aufsicht bzw. Mitwirkung unterworfen. Natürlich
und Vormünder „open die obervormundschaftlichen Rechte den Eltern gegenüber nicht
so weit wie gegenüber dem Vormunde. Aber die elterliche Gewalt über
die Kinder ist doch einer bloß vormundschaftlichen Gewalt angenähert
worden.
Schutz Es versteht sich von selber, daß die obervormundschaftliche Gewalt
der Kinder. ges Vormundschaftsrichters dem Schutze der Kinder gegen Mißbrauch
der elterlichen und der vormundschaftlichen Gewalt zu dienen bestimmt
ist. Es handelt sich einerseits um den Schutz des Vermögens: gewisse
Verwaltungshandlungen über das Kindesgut bedürfen der obervormund-
schaftlichen Genehmigung. Das andere ist der Schutz der Person des
Kindes. Die Obervormundschaft ist berechtigt, unmittelbar in die Erziehung
des Kindes einzugreifen. Dem Vormund kann die Erziehung des Kindes
entzogen werden, wenn das Vormundschaftsgericht nach pflichtmäßigem
Ermessen es für notwendig erachtet; selbst den Eltern kann die Erziehungs-
gewalt genommen werden, wenn das geistige oder leibliche Wohl des
Kindes in den Händen der Eltern als gefährdet erscheint. In solchen
Fällen ordnet das Vormundschaftsgericht statt der elterlichen bzw. vor-
ze