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beherrscht, aller zivilistischen Betrachtungsweise spotten müßten, wurde so sehr betont, daß
die Theorie dieser Periode, die sich noch weit in das XIX. Jahrhundert hinein erstreckte,
kaum als eine juristische, sondern nur als ‚„Handelswissenschaft‘“ bezeichnet werden kann.
Dieser Richtung gehören die Werke von SAVARY, BÜSCH, LUDOVICI, BOHN u. a. an. Die
rein volkswirtschaftliche oder merkantil-technische Auffassung konnte, wenn sich Gerichte,
die nicht oder nicht ausschließlich mit Kaufleuten besetzt waren, mit der Beurteilung von
Handelsverhältnissen zu befassen hatten, unmöglich genügen. Nachdem sich infolge dieses
Umstandes die englische und französische Praxis — von universell gebildeten Juristen stark
beeinflußt, ja geleitet — einer mehr juristisch-wissenschaftlichen Behandlung der kommer-
ziellen Institutionen zugewandt hatte, trat ein gleiches Bedürfnis auch in Deutschland hervor;
in dieser Hinsicht machte sich in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts in Deutschland
insbesondere die Rechtsprechung des Oberappellationsgerichts zu Lübeck, dann die Wissen-
schaftlichkeit der Abhandlungen des Hamburger Archivs für H. R. und die der Werke von
CROPP und PÖHLS geltend.
An die Resultate der Lübecker Rechtsprechung und an die ebenso von echt juristischem
Geiste durchwehten, zuletzt genannten Werke knüpfte HEINRICH THÖL an, der es verstand,
der wissenschaftlichen Behandlung des Handelsrechts in Deutschland dadurch den Boden
zu festigen, daß er die Doktrin des gemeinen (römischen) Rechtes neben der merkantil-
technischen Behandlungsweise in angemessener Betonung der Grundlage des in Deutschland
in Kraft befindlichen Privatrechts überhaupt zur Geltung brachte (THÖL H. R., erschienen
1841 in erster Aufl., in letzter, 6. Aufl. 1878, Frachtrecht 1880). Ebenfalls durch Vereinigung
der angedeuteten Richtungen in der Auffassung der Handelsrechtsinstitute zeichnen sich
EINERT, LIEBE, BIENER u. a., insbesondere aber die Germanisten aus, welche von jener Zeit
an das Handelsrecht als einen Teil des deutschen Privatrechts darstellten, wie MITTERMAIER,
HILLEBRAND, GERBER, BLUNTSCHLI; BESELER, GENGLER, DAHN und STOBBE. -
In Deutschland waren dann zwei Momente von besonderer Bedeutung für die weitere
Entwickelung des Handelsrechts und seiner wissenschaftlichen Bearbeitung; die Abfassung
(1857—1861), Einführung (1861—1865), wiederholte und reiche Kommentierung (z. B. von
HAHN, PUCHELT, MAKOWER, KEYSSNER u. a., neuerlich STAUB), Abänderung und Revision
(1884, 1897) des deutschen Handelsgesetzbuchs, und zweitens die Errichtung und Rechtsprechung
eines. gemeinsamen. obersten. Gerichtshofs für Deutschland (zuerst, 1869, als Bundes-, dann
Reichsoberhandelsgericht, ‚seit 1879 Reichsgericht), die auf die Gleichmäßigkeit in der Rechts-
auslegung vorteilhaft einwirkten.
Seitdem sind es, abgesehen von den zahlreichen Kommentaren des. Handelsgesetzbuchs
und den Monographieen und Zeitschriften, hauptsächlich die Werke von THÖL (s. oben S. 116)
und von GOLDSCHMIDT (ebenda), dann das von W. ENDEMANN (1881—1884) herausgegebene
große Handbuch des Handelsrechts, ein Sammelwerk, an dem zahlreiche deutsche Fach-
männer wie R. KOCH, v. VÖLDENDORFF, LASTIG- u. a. mitarbeiteten, dann die Kommentare
verschiedener handelsrechtlicher Nebengesetze und die neuesten Lehrbücher des Handels-
und Wechselrechts, durch welche die Doktrin des Handelsrechts in seinen einzelnen Teilen
fortgebildet wird; von den letzteren seien die von BEHREND (unvollendet), COSACK (6. Aufl.
1903), W. ENDEMANN (4. Aufl. 1887), KARL LEHMANN (I. Lief. 1905, 2. Lief. 1906) und das
des Verfassers (7. Aufl. 1903) hier erwähnt, Die letztgenannten Werke enthalten auch Literatur-
angaben, die vollkommen zur Orientierung ausreichen, so KARL LEHMANN, 5. 42 ff.
Aus der französischen Literatur leuchtet das große Werk von LYON-CAEN & RENAULT,
Trait&€ de droit commercial (3. Edit. 1898 ff.), glänzend hervor. Aus der italienischen seien die
Werke von MARGHIERI, VIDARI und VIVANTE hervorgehoben. Im übrigen sei auf die
Literaturangaben in den zuletzt erwähnten deutschen Werken verwiesen, insbesondere auf die
Übersicht in KARL LEHMANNS H.R.S. 44 ff. und, was das Wechselrecht anlangt, auf K. GAREIS
H.-R. 7. Aufl. -S. 572, 573.