Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

Einleitung. II9 
sie kann durch Rechtsgeschäft verwirklicht werden, und wir nennen sie 
daher Privatversicherung. Ihre praktische Durchführung wird sehr 
erleichtert, wenn erfahrungsgemäß nur verhältnismäßig wenige gefährdete 
Personen wirklich von der Gefahr betroffen werden, weil hier meist ein 
kleiner Beitrag des einzelnen, also eine geringe Sparfähigkeit genügt, um 
den wenigen wirklich Betroffenen ihre selbst großen Schäden zu ersetzen; 
immer aber ruht sie auf egoistischer Grundlage, nur derjenige leistet 
einen Beitrag, der selber der Sicherung bedarf. 
Es ist aber auch möglich, daß die Gesamtheit der bedrohten Personen 
nicht imstande ist, die erforderlichen Mittel aufzubringen, ihre Sparfähigkeit 
ist zu gering dazu, weil die den einzelnen bedrohenden wirtschaftlichen 
Nachteile zu groß sind oder zu häufig auftreten: dann bleibt nichts übrig, 
als auch nichtbedrohte Personen zur Deckung dieser Nachteile heran- 
zuziehen, und wenn dies nicht dem guten Willen überlassen bleiben soll 
(Wohltätigkeit), kann es nur auf dem Wege eines rechtlichen Befehls 
geschehen: hier wird die Sicherung nicht durch Selbsthilfe, sondern durch 
Fremdhilfe verwirklicht, sie beruht nicht auf Rechtsgeschäft, sondern 
auf Rechtssatz; sie tritt als altruistische Versicherung der egoistischen 
gegenüber, sie kann die Form der Staatshilfe annehmen, aber sich auch 
in die verschiedensten anderen Formen kleiden, sie kann endlich ganz 
rein auftreten oder nur der Selbsthilfe ergänzend zur Seite treten. Dies 
ist natürlich auch da möglich, wo erfahrungsgemäß die Selbsthilfe aus- 
reichen würde; der Gesetzgeber kann also z. B. eine Staatshilfe anordnen, 
um einer an sich tragfähigen Bevölkerungsgruppe die Last der Kollektiv- 
ersparung zu erleichtern (Hagelversicherung in Bayern): das ist dann eine 
sog. Liebesgabe, eine sozial nicht berechtigte Unterstützung aus fremdem 
Beutel, eine erzwungene Wohltätigkeit. 
Dieser sozial-wirtschaftliche Gegensatz der Selbsthilfe und der Fremd- Privatrecht und 
hilfe deckt sich zwar bis zu einem gewissen Grade mit den rechtlichen NN 
Gegensätzen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, der Vertrags- ; 
freiheit und des Versicherungszwangs, aber der Gesetzgeber kann es auch 
für nützlich oder notwendig halten, die der Selbsthilfe fähigen Bevölkerungs- 
gruppen zwangsweise zu koalieren, sie zur Kollektiversparung zu nötigen, 
die zum Zwecke der Versicherung geschaffenen Privatanstalten zu be- 
aufsichtigen, sogar staatliche Versicherungsanstalten einzurichten (Immobiliar- 
Feuerversicherung!), also auch auf diesem Gebiete mit Normen des öffent- 
lichen Rechtes in das Spiel der freien Kräfte tief einzugreifen, wie er ja 
umgekehrt auch den Gedanken der Fremdhilfe mit den Mitteln des Privat- 
rechts, z. B. in der einfachen Form der Haftpflicht des Staates oder der 
Unterhaltspflicht deı Gemeinde verwirklichen könnte. 
Immerhin wird der Gesetzgeber im großen und ganzen die beiden 
Grundarten der Versicherung auch in ihrer rechtlichen Regelung ausein- 
anderhalten und sich bemühen, eine jede der ihrer Eigenart entsprechenden 
Gestaltung entgegenzuführen.
	        
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