A. Frühere Rechtstheorien. III. Die materialistische Geschichtsauffassung. XI
des philosophischen Materialismus auf die Menschengeschichte, vor allem Sozialer
auf das in ihr. sich abrollende soziale Dasein der Menschen. Es sei, “*°rialismus.
lehren jene, die Geschichte der Menschheit als ein mechanischer Natur-
prozeß zu erfassen, der ausschließlich nach naturwissenschaftlicher
Methode, als Gegenstand einer bloß naturgesetzlichen Auffassung bestimmt
werden solle. Wie nach der alten Doktrin des Materialismus die Grund-
lage alles Seins die Materie und deren Bewegungen sei, wovon auch
das geistige Leben des Individuums abhänge, so sei auch im sozialen
Dasein der Menschen die Materie der Gesellschaft und ihre Bewegung
das Bestimmende. Was jedoch für den einzelnen die Materie der Natur
sei, das bedeute für das gesellschaftliche Leben — die soziale Wirt-
schaft.
„Die materialistische Anschauung der Geschichte“, sagt Engels, „geht
von dem. Satze aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der
Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist;
daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der
Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände,
sich danach richtet, was und wie produziert, und wie das Produzierte
ausgetauscht wird.“ — Als erläuterndes Beispiel kann auf die Umwandlung
eines Nomadenlebens in ein Ackerbau treibendes Volk verwiesen werden,
bei dem wieder die Organisation der Gesellschaft eine andere sein wird,
je nachdem es sich um Kleinbauern oder um Latifundienwirtschaft mit
Pachtungen oder vielleicht um Feldgemeinschaft kommunistischen Eigen-
tums handelt.
Die Gesetzmäßigkeit des sozialen Lebens ist also, nach dieser Lehre,
die Abhängigkeit von der sozialen Materie. Den Veränderungen dieser
werde stets eine Veränderung des sonstigen gesellschaftlichen Daseins
entsprechen. Denn die soziale Wirtschaft bildet die Basis einer Gesell-
schaft; darüber erhebt sich ein juristischer und politischer „Überbau“.
Wenn die Unterlage schwankt, kann auch der Überbau nicht fürder un-
verändert bestehen bleiben, und bei völliger Umwälzung jener muß auch
die darüber errichtete rechtliche Ordnung stürzen und einer neuen Platz
machen. Solange die Indianer mit Bogen und Pfeil auf die gemeinsame
Büffeljagd auszogen, war Privateigentum des einzelnen Jägers am erlegten
Wild möglich, da an seinem besonders gezeichneten Pfeil man den Wild-
töter genau erkannte; aber als sie mit Pulver und Blei zu hantieren be-
gannen, fiel diese Möglichkeit weg, und die neue Art der gesellschaft-
lichen Produktion ihres Lebens machte eine neue Art der verteilenden
Organisation nötig. Oder im großen: Die Produktionsweise der :aus-
gebildeten Manufaktur des 18. Jahrhunderts war unverträglich mit den
lokalen und ständischen Privilegien wie mit den gegenseitigen persönlichen
Banden der feudalen Ordnung; als darum die Bourgeoisie, der jene
Produktionsweise eigentümlich war, genügend Stärke erlangt hatte, zer-
schlug sie die feudale Ordnung und stellte auf ihren Trümmern die bürger-