Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

B. Das Strafprozeßrecht. III. Neue Ideen? a 
5. Über die Strafvollstreckung enthält die Strafprozeßordnung nur Straf- 
wenige unzusammenhängende Bestimmungen. Das praktisch weitaus wich- Ko Skme 
tigste Gebiet, die Vollstreckung der Freiheitsstrafen, ist reichsrechtlich 
überhaupt so gut wie gar nicht geordnet. Das seit dreieinhalb Jahrzehnten 
im Reichstag oft begehrte Reichsgesetz über den Vollzug der Freiheits- 
strafen ist bis heute ein frommer Wunsch geblieben, dessen Verwirklichung 
in weiter Ferne liegt. 
II. Neue Ideen? Wer mit uns die Entwicklung des Strafrechts Reform- 
bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts verfolgt hat, der wird nicht leugnen rt 
können, daß aus dem wogenden Kampf der Meinungen, daß aus all der alem Gebiet. 
Unklarheit und Kleinlichkeit des Schulgezänks große, klare, fruchtver- 
heißende Gedanken hervorgewachsen sind, ein Programm systematisch 
geschlossener Einzelforderungen, um das weiter gerungen werden kann 
und weiter gerungen werden wird. Für das Gebiet des Strafprozesses 
1äßt sich das gleiche nicht behaupten. Zwar sehen wir auch hier die 
gärende Unzufriedenheit mit dem geltenden Recht. Aber die Abänderungs- 
vorschläge beschränken sich auf einzelne Punkte von verhältnismäßig unter- 
geordneter Bedeutung. Und selbst auf diesem bescheidenen Gebiet ist 
von einer Klärung der Ansichten noch nichts zu merken. Ich kann mich 
daher darauf beschränken, auf einige dieser einzelnen Punkte aufmerksam 
zu machen. 
Die Zerfahrenheit unserer Gesetzgebung bei Zusammensetzung der 
erstinstanzlichen Gerichte erheischt dringend baldige Abhilfe. Es ist auf 
die Dauer nicht möglich, Schöffengerichte, rechtsgelehrte Strafkammern 
und Schwurgerichte nebeneinander bestehen zu lassen. Aber über die 
Richtung der Reform gehen die Meinungen heute noch weit auseinander, 
und es ist nicht abzusehen, in welcher Richtung die Entwicklung er- 
folgen wird. 
Daß die Zuziehung von „Laien“ nicht mehr rückgängig gemacht 
werden kann, unterliegt keinem Zweifel. Damit ist, wenn die Zusammen- 
setzung der Gerichtskörper nach einheitlichen Grundsätzen erfolgen soll, 
den bloß mit beamteten Richtern besetzten Strafkammern das Todesurteil 
gesprochen. Es wird sich bloß darum handeln können, ob die Schöffen- 
gerichtsverfassung für Strafsachen aller Ordnungen (mit Ausnahme selbst- 
verständlich des Reichsgerichts) durchgeführt werden soll. Dafür spricht, 
daß im Schwurgericht das Laienelement nicht zu seiner vollen Geltung 
kommt, da der Geschworene nur über die Schuldfrage zu urteilen hat und 
auch hier jedes einheitliche Zusammenwirken von Richtern und Ge- 
schworenen ausgeschlossen ist, während der Schöffe mit dem beamteten 
Richter an allen prozessualen Beschlüssen (über Beweisaufnahme usw.) 
sowie an der Strafzumessung mit gleichem Stimmrecht beteiligt ist. Ob 
aber diese juristisch technischen Gründe schwer genug ins Gewicht fallen, 
um der auf politischen Erwägungen beruhenden Volkstümlichkeit der 
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