B. Das Strafprozeßrecht. II. Neue Ideen? 235
stellung der Spuren des Verbrechens völlig mangelt. Die beste Arbeit
wird noch von der Kriminalpolizei geleistet. Ohne diese wäre unsere
Strafjustiz völlig lahmgelegt. Aber vergebens ist eine berufsmäßige Aus-
bildung der Richter und Staatsanwälte von den verschiedensten Seiten
verlangt worden; vergebens haben Hans Groß und andere das gesamte
für eine solche Vorbildung erforderliche Material zusammengetragen und
die „Kriminalistik“ zu einer selbständigen Wissenschaft erhoben: es ist
alles beim alten geblieben und auch nicht das leiseste Anzeichen spricht
dafür, daß es in absehbarer Zeit besser werden sollte.
So hat auf dem Gebiete des Strafprozesses das 1ı0. Jahrhundert es
nicht einmal zu einer klaren Problemstellung, geschweige denn zu einem
Programm gebracht. Hier bleibt für das Jahrhundert, in dem wir leben,
so gut wie alles zu tun.
Zunächst freilich hat es den Anschein, als sollte die nächste Zukunft
uns eine Umgestaltung unseres Strafverfahrens bringen, die in Neben-
punkten einzelne Verbesserungen einführt, in der Hauptsache aber es bei
dem bisher unerfreulichen Zustand beläßt. Das kann uns nicht wunder-
nehmen. Der Strafprozeß dient der Durchsetzung des Strafrechts. Erst
wenn auf diesem Gebiete die neuen Ideen die Anerkennung und Aus-
führung durch den Gesetzgeber gefunden haben werden, dürfen wir er-
warten, daß auch das Verfahren, das wir heute Strafprozeß nennen, eine
wesentlich neue Gestaltung gewinnt. Ob dann mit dem Wesen der Sache
nicht auch die Bezeichnung sich ändern wird, ob die Ausübung der ge-
sellschaftlichen Schutzfunktion nicht völlig neue Organe und durchaus neue
Formen aus sich herausbilden wird — wer vermöchte das heute schon zu
sagen?