B. Die kritische Rechtstheorie. I. Fragestellung und Methode.
hörigen Bemühungen darauf gerichtet gewesen, auf die drei Fragen der Die drei Fragen
allgemeinen Rechtstheorie, die wir in der Einleitung entwickelten: — nach N uNeSOPUS
dem Begriffe des Rechtes, der Berechtigung des Rechtszwanges und
dem richtigen Inhalte eines Rechtes — mit einer und derselben
Formel zu antworten. So meinte man, was im sozialen Leben: der ge-
selligen Natur des Menschen, oder: der Natur des Rechtes, z. B. dem confrat
social nach einer volonte generale (A. ı), oder: dem Geiste eines Volkes als
Naturganzen (A. 2), oder: der sozialen Wirtschaft und Produktionsweise (A. 3)
entspreche, das sei begrifflich „Recht“, das gebrauche mit Grund den
Zwang, das sei in seinem Inhalt berechtigt. — Dem gegenüber gehört
es zu den Grundgedanken der. hier darzulegenden Lehre, daß das Streben
nach jener gemeinsamen Formel für die drei Aufgaben der Rechts-
philosophie unbegründet ist. Es ist die Antwort auf die drei genannten
Fragen zunächst getrennt für eine jede zu geben.
Hieraus ergibt sich bereits, daß die Frage nach der Geltung eines Trennung von
Rechtes nicht aus der Eigenart seines Inhaltes beantwortet werden kann. We eo
Es gibt auch inhaltlich schlechtes Recht, das doch rechtliche Gel- keit eines
tung besitzt. Der Schluß, daß ein unrichtiges Gebot nicht Recht, Bea
und ein rechtliches Gebot nicht unrichtig sein könne, ist nach beiden
Seiten hin falsch. Wer den Inhalt eines bestimmten Rechtes für un-
richtig erklärt, sagt damit nicht, daß dieses Recht nicht gelte; und
falls jemand einem mangelhaften Rechtszustand das gegenüberstellt, was
in dieser besonderen Lage grundsätzlich richtig sein würde, so ist noch
keineswegs behauptet, daß dieses als richtig Eingesehene bereits in
rechtlicher Geltung stände. — Diese Sätze könnten selbstverständlich
erscheinen und würden keiner Betonung bedürfen, wenn nicht die Er-
fahrung lehrte, daß aus traditionellen Gründen her die beiden verschiedenen
Fragen, die wir zuletzt nannten — die nach der Geltung und nach der
Richtigkeit eines Rechtes —, von gar manchem Juristen noch immer als
sich deckend angenommen werden; was nicht zutrifft: Der methodische
Beweisgang darüber, ob eine bestimmte rechtliche Entscheidung in be-
sonderer Lage die Eigenschaft der Richtigkeit besitze, hat mit der Frage,
ob diese Entscheidung von Parteien und Richter einzusetzen oder außer
acht zu lassen sei, noch gar nichts zu tun.
. Anderseits ist es klar, daß die getrennte Behandlung unserer drei
Fragen nicht ein sachliches Auseinanderreißen sein darf. Sie müssen in
innerer Einheit wieder sich verbunden zeigen. Das geschieht dahin, daß
die Lösung einer jeden die Vorbedingung für die Erledigung der folgenden
ist, in dieser Reihenfolge aber das Problem eines grundsätzlich richtigen
Rechtsinhaltes an letzter Stelle steht. Wir müssen zuerst den Begriff
des Rechtes nach seinen bleibenden, einheitlichen Merkmalen für sich
feststellen, um darauf die Erwägung der Berechtigung des Rechts-
zwanges aufzubauen. Die letztere wiederum erscheint als notwendige:
Bedingung für die Aufgabe, inhaltlich richtiges Recht zu erhalten,
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