248 WILHELM KAHL: Kirchenrecht.
geistlichen Amt bestimmt sich durch den Grundsatz, daß das Pfarramt
den ordnungsmäßigen Mittelpunkt aller kirchlichen Tätigkeit in der
Gemeinde bildet. Daraus ergibt sich einerseits, daß die Ortsgeistlichen
selbst notwendige Mitglieder aller Gemeindekörperschaften sind, anderseits,
daß grundsätzlich der Pfarrer in seiner spezifisch geistlichen Amtstätigkeit
von den Gemeindeorganen unabhängig bleibt. Die organisierte Orts-
Synoden. gemeinde bildet die Grundlage für die nach oben in den Synoden sich
fortsetzende und abschließende repräsentative Gliederung der Kirche. Un-
entbehrliche Stufen dieser aus Laien und Geistlichen zusammengesetzten
evangelischen Synoden bilden die Kreis- oder Diözesan- und die Landes-
oder Generalsynoden. In Preußen schieben sich nach den besonderen
geschichtlichen Bedingungen der Landeskirche noch die Provinzialsynoden
ein. Naturgemäß bilden die Gemeindeorgane die Wahlkörper für die
unteren und diese hinwiederum solche für die oberen synodalen Stufen,
woneben grundsätzlich für die Landessynoden auch die Vertretung der
evangelisch-theologischen Wissenschaft zu fordern ist. Mit Unrecht wird
jenes Wahlverfahren als sog. „Filtriersystem“ getadelt. Gegenteilig kann
es allein dem Geist des Kirchenwesens entsprechend sein, welchem jede
demagogische Massenwirtschaft widerstrebt. Nur dafür ist gewissenhaft
Sorge zu tragen, daß auf allen synodalen Stufen auch die Minoritäten
entsprechende Vertretung finden. Als maßgebendes Prinzip für die Zu-
ständigkeitsverteilung ist anzusehen, daß die Kreissynoden vorwiegend
als Körper der kirchlichen Selbstverwaltung der Kreisgemeinden, die
Provinzialsynoden zur Bewahrung der provinziellen Eigenart innerhalb der
landeskirchlichen Einheit, die Generalsynoden dagegen als Organe der
Oberaufsicht über alle Tätigkeiten der kirchlichen Verwaltung, als Faktoren
der landeskirchlichen Gesetzgebung und als Vertretungskörper der Landes-
kirchen nach außen berufen sind.
Landesherrliches Ihre Spitze findet, nicht mit prinzipieller Begründung, sondern ledig-
Kirchenregiment. lich kraft geschichtlicher Entwickelung, die evangelische Kirchenverfassung
in den Landeskirchen der deutsch-monarchischen Staaten im landes-
herrlichen Kirchenregiment (Jus in sacra). Erwerb und Verlust der
landesherrlichen Kirchengewalt vollziehen sich unterschiedslos nach den
Regeln über Erwerb und Verlust der Staatsgewalt. Insbesondere kann
hiernach die Konfession des Landesherrn einen Unterschied für den
Besitz der Kirchengewalt nicht begründen. Immerhin ist die ältere rein
territorialistische Auffassungsweise verlassen. Dies tritt darin hervor, daß
in Landeskirchen unter katholischem Landesherrn die Ausübung der dem
Träger des Kirchenregiments persönlich vorbehaltenen Rechte (Jura in
sacra reservata) besonderen kirchlichen Instanzen zu relativ selbständiger
Wahrnehmung übertragen ist; so in Bayern und Sachsen, und für die
Zukunft in Württemberg. Der im angeblichen Namen der kirchlichen
Freiheit gelegentlich noch immer versteckt oder offen gegen das landes-
herrliche Kirchenregiment geführte Kampf verrät einen bedauerlichen