IV. Die Kirchengesellschaften in ihrem gegenseitigen Rechtsverhältnis. 271
Zunächst für den Bestand des innerkirchlichen Gegensatzes zwischen im Verhältnis von
dem Katholizismus und der Einheit des Protestantismus. Der amtliche Mapwon.
Katholizismus verweigert noch heute der Gemeinschaft der Evangelischen Protestantismus.
die Anerkennung als „Kirche“. Er verweigert damit grundsätzlich die
Anerkennung des paritätischen Staates im Sinne gleichberechtigter Ko-
existenz einer Mehrheit von „Kirchen“ (Syll. 8 10). Die Festhaltung dieses
Exklusivitätsanspruchs kann durch Staatsgesetz nicht verhindert werden.
Verhindert wird durch die Paritätspflege nur die Wirksamkeit der Kon-
sequenzen jenes Anspruchs auf dem äußeren Rechtsgebiet. Die Sicher-
stellung der Parität erfolgt hier hauptsächlich durch die staatliche Be-
grenzung der kirchlichen Strafgewalt und durch die erwähnte Einwirkung
des Staates auf Begründung, Folgen und Beendigung der Kirchen-
mitgliedschaft.
Die Zweckbestimmung der Parität äußert ihre beschränkenden Wirkungen im Verhältnis der
aber nicht weniger auf das Wechselverhältnis der beiden evangelischen a
Konfessionen untereinander. Dem innerkirchlichen Gegensatze der
lutherischen und reformierten Kirche steht der Staat prinzipiell un-
beteiligt gegenüber. Er erkennt einerseits diesen Gegensatz als tatsächlich
vorhanden an und hat ihm, als einem geschichtlich begründeten, in seiner
Gesetzgebung selbst vielfach Rechnung getragen. Er hat ihn anderseits
zu ignorieren, soweit er rein auf dem Grunde der Lehrdifferenz beruht.
Freilich ist geschichtlich diese Schranke der Parität nicht immer ver-
standen und eingehalten worden. Störend war dies namentlich in der
Geschichte der preußischen Union hervorgetreten. Ursprünglich von Rechtliche Be-
großem und echt reformatorischem Geiste eingegeben, in zweihundert- N Prraeebschen
jähriger Tradition des Hohenzollernhauses verkörpert in den Kurfürsten Union.
Johann Sigismund, Georg Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, in den
Königen Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., und noch in. dem berühmten
Aufrufe Friedrich Wilhelms III. vom 27. September 1817 nur als Tat des
freien Entschlusses der Gemeinden festgehalten, hat doch die Ausführung
des Unionsgedankens unter der Einwirkung einer falsch verstandenen
Paritätsaufgabe vielfach gelitten. Es war nicht reinlich unterschieden
worden, daß bei den Bestrebungen auf Wiedervereinigung der getrennten
evangelischen Konfessionen die Vermittlerrolle nicht dem Staat auf Grund
seiner Kirchenhoheit gebührte, sondern allein dem Landesherrn auf
Grund seiner geschichtlich erworbenen Kirchengewalt. Wesentlich in
dem Mangel dieser Unterscheidung, welcher die Übertragung staatlicher
Gewaltsmaßregeln auf das kirchliche Gebiet verschuldete, lag die Quelle
der tiefen Mißstimmung und Gewissensnot, deren Spuren die Geschichte
der evangelischen Union aufzuweisen hat, und deren Folgen noch heute
nicht überwunden sind. Diese Folgen traten nicht nur schon in der
Separation der Altlutheraner und in der Weigerung der neu erworbenen
preußischen Provinzen, der Union der Landeskirche beizutreten, hervor.
Sie äußern sich bis zu dieser Stunde in einem bedauerlichen und ungerecht-