XVII RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
und Anordnens von uns aus zu mehren. Es kommt darauf an, den Ge-
danken der Richtigkeit eines Rechtes, der im Sinne sachlicher Ge-
rechtigkeit zu allen Zeiten angewandt worden ist, wird und werden wird,
als formalen Begriff klarzustellen und die methodische Möglichkeit
seiner Anwendung zu zeigen. Das wird geschehen, wenn wir das
unbedingt allgemeine Verfahren aufweisen, das in unseren Gedanken
notwendig waltet, sobald wir über Recht und soziales Leben kritische
Betrachtung pflegen. So lassen wir nun den besonderen Stoff der ge-
schichtlichen Rechtsordnungen hinter uns und befassen uns in eigener und
abgegrenzter Arbeit mit der methodischen Form, diese selben Ord-
nungen allgemeingültig zu begreifen und einheitlich zu richten und zu
bestimmen.
Il. Sittliches Wollen und soziales Wollen. Es kann keinem
Zugehörigkeit Zweifel unterliegen, daß die rechtliche Ordnung ein Mittel zur Erreichung
Nr von Zwecken ist. Der entscheidende systematische Gesichtspunkt für
Zwecke. alles Recht vermag daher auch nur eine Einheit der Zweckbetrachtung
zu sein. Wer sich vorläufig auf die Frage nach der Entstehung recht-
lichen Wollens beschränkt, hat doch nur nach der Genesis gewisser
Mittel und Zwecke gefragt. Daraus folgt, daß das Wesen des Rechtes
unter der Gesetzmäßigkeit des menschlichen Wollens, das ist der
unbedingt einheitlichen Art der Erwägung von Zweckinhalten steht.
Diese Zuteilung des Rechtes zu dem Reiche der Zwecke bricht sich
schließlich in notwendiger Stärke überall Bahn, auch bei solchen, die es
zunächst nicht Wort haben wollen. So schon bei der kritischen Prüfung
der materialistischen Geschichtsauffassung (A. 3); und in besonders bemerkens-
werter Weise vordem bei Spinoza, der bekanntlich alle Dinge nur als
bestimmte Arten einer einzigen naturgesetzlichen Einheit, der „Substanz“,
erfassen und bestimmen wollte. Auch der Mensch sei nur ein Modus der
einigen, allumfassenden Substanz; und Zwecke kommen nur als Eigen-
schaften des Menschen insofern zur Erwägung, als dieser ein Gegenstand
der Naturbetrachtung ist. So nahm jener Philosoph „Naturrecht“ im Sinne
von „Naturgesetz“: Es sind die Regeln, die ein jedes Wesen (auch „die
großen Fische“) zur Äußerung seiner Eigenart in Sein und Wirken
bestimmen; alles geht in dem einheitlichen Flusse des naturgesetzlichen
Waltens der Substanz auf. Aber trotzdem will auch Spinoza doch eine
Erklärung der Rechtsordnung geben. Er meint, daß die Menschen dem
Rechte sich unterwerfen, weil sie im Staate das kleinere Übel im Ver-
gleiche zur Anarchie sehen, er wirft die Frage nach dem oß/mus 7ei
tublicae status auf, und er entscheidet dahin, daß es recht gut sei, daß wir
in der Staatsgemeinschaft zusammengefaßt sind, weil diese ein angemessenes
Mittel zur Erreichung der natürlichen Bestimmung des Menschen sei.
Gesetzmäßigkeit Welches ist nun die Gesetzmäßigkeit der Zwecke, der auch das
der Zwecke. „achtliche Wollen zu unterstellen ist? — Die Antwort wird durch eine