2706 WILHELM KAHL: Kirchenrecht.
mittel und ihrer bürgerlichen Wirkungen, hinsichtlich des Zweckes ihrer
Anwendung und der formellen Garantien eines gerechten Verfahrens unter-
worfen, endlich auch die kirchlichen Demeriten- und Korrektionsanstalten
einer staatlichen Überwachung unterstellt sind; alles dies freilich in außer-
ordentlicher partikularrechtlicher Verschiedenheit. Ein weiteres und praktisch
ungemein wichtiges Gebiet der administrativen Aufsichtsübung ist die
kirchliche Vermögensverwaltung; sie rechtfertigt sich prinzipiell unter
dem Gesichtspunkte der weitgehenden Staatsleistungen für kirchliche Zwecke
und äußert sich namentlich in dem Vorbehalte der staatlichen Genehmigung
zu wichtigeren Akten der kirchlichen Vermögensverwaltung, bei welchen
ein besonderes Staatsinteresse an der Erhaltung und zweckgemäßen Ver-
wendung des Kirchenvermögens in Frage kommt. Zuletzt unterliegen
selbstverständlich die Kirchen und Kirchenbeamten einer Oberaufsicht auf
allen denjenigen Gebieten, auf welchen sie an ursprünglichen Aufgaben der
Staatspflege selbst beteiligt werden, als namentlich da, wo ständige
Gottesdiensteinrichtungen in gewissen Anstalten der staatlichen Wohlfahrts-
und Sicherheitspflege, wie Krankenhäusern, Strafanstalten getroffen sind;
ferner in der großen Organisation der Militärseelsorge und namentlich auf
dem Gebiete des staatlichen Unterrichtswesens, bei welchem auf allen
Stufen, an Volks-, Mittel- und Hochschulen eine organische Beteiligung
Mittel der der Kirche vorgesehen ist. Die allgemeinen Formen und Mittel der
Staatsaufsicht, A foichtsübung über die Kirchen und Religionsgesellschaften sind die-
selben, wie in allen Zweigen der Staatsverwaltung (Verfügungen, Vitsita-
tionen, Ordnungsstrafen, polizeiliche Zwangsmittel). Daneben haben sich
unter dem besonderen Gesichtspunkt der Kirchenhoheit noch spezielle
Mittel der Staatsaufsicht teils präventiven, teils repressiven Charakters aus-
gebildet. Als das am meisten umstrittene Mittel präventiver Aufsichts-
Placet. übung‘ hat sich in mehreren deutschen Staaten das sog. Placet, d.h. der
Vorbehalt staatlicher Genehmigung zur Verkündigung oder zum Vollzug
kirchlicher Gesetze und Erlasse erhalten, so in Bayern, Sachsen, Württem-.
berg, Baden, Hessen und anderwärts. In Preußen wurde es schon durch die
Verfassung von 1850 beseitigt. Grundsätzlich ist diese veraltete Maßregel
der Staatsaufsicht nicht zu billigen. Sie hält sich unvermeidlich nicht von
Eingriffen in innere Angelegenheiten der Kirchen zurück und ist außerdem
völlig wirkungslos. Andere Formen präventiver Staatsaufsicht, welche
sich lediglich geschichtlich erklären, wie z. B. Beschränkungen des amt-
lichen Verkehrs zwischen Papst und Bischöfen, sind allgemein längst be-
seitigt. Als Mittel der Repression hat sich unter dem besonderen Gesichts-.
Temporalien- punkte der Kirchenhoheit die sog. Temporaliensperre, d.h. die Ein-
sperre... hehaltung der aus staatlicher Quelle fließenden Amtseinkünfte von Kirchen-.
dienern, sei es bei Verweigerung des staatlichen Gehorsams im allgemeinen,.
sei es zur Erzwingung einer einzelnen Maßregel erhalten. Der Vorbehalt
dieses Mittels der Staatsaufsicht ist prinzipiell gerechtfertigt und für äußerste
Fälle unentbehrlich. Für seine Anwendbarkeit ist die rechtliche Natur: