Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

B. Die kritische Rechtstheorie. II. Sittliches Wollen und soziales Wollen. XIX 
Eigenart des modernen Sprachgebrauches erschwert, der das Wort 
„Gesetzmäßigkeit“ mit Vorliebe im Sinne erkannter Kausalität nehmen 
möchte. Aber dieses ist doch nur eine besondere Richtung in den 
Aufgaben des objektivierenden Bewußtseins, während der sachliche Gedanke, 
dem das Wort „Gesetzmäßigkeit“ den zutreffenden Ausdruck verleihen 
soll und auch sehr gut verliehen hat und verleiht, der einer allgemein 
gültigen Art des Erkennens und des Wollens ist. Danach bedeutet 
Gesetzmäßigkeit der Zwecke eine einheitliche und letzte und unbedingt 
mögliche Methode, den Inhalt von menschlichem Wollen in Gedanken 
zu richten und zu bestimmen. Da dieses formale Verfahren schlechter- 
dings für alle denkbaren menschlichen Zwecke anwendbar sein soll, so 
kann es nur in der Idee einer solchen Art und Weise des Wollens 
bestehen, daß sie von der Besonderheit der gerade vorliegenden sub- 
jektiven Lage befreit vorgestellt wird. Es wird ein gesetzmäßig 
begründeter Zweck danach dann vorliegen, wenn er nicht nur als Ziel 
eines begrenzten ‚persönlichen Begehrens begreiflich erscheint, sondern 
auch in Abstraktion von der Sonderart dieses Subjektes allgemeingültig 
für jeden in solcher Lage gedachten Menschen begründet besteht. So 
ist die Idee des inhaltlich freien Wollens die Gesetzmäßigkeit der 
Zwecke. — Kein wirklich gegebener Willensinhalt kann dieser Idee jemals 
völlig entsprechen. Es gibt immer nur stofflich bedingtes Wollen. 
Aber es ist doch ein Unterschied, ob es in seiner Bedingtheit erstirbt 
und von dem Wollenden nur als bedingtes behauptet werden kann, 
oder ob es als objektiv gerechtfertigter Zweck aufzutreten vermag. 
In dieser letzten Absicht bildet jener formale Gedanke des inhaltlich freien 
Wollens die Richtlinie für ein methodisch gesichertes, kritisches Urteil 
über empirisch bedingtes Wollen, — nach einem vordem schon gebrauchten 
Bilde: den Stern, zu dem man aufblickt, nicht um ihn zu erreichen und 
dort zu landen, aber doch, um sein Schifflein nach ihm zu richten zu 
rechter guter Fahrt. 
_ Dieser leitende Gedanke einer gesetzmäßigen Art und Weise des Absolut gültig 
. Richtens und Bestimmens ist absolut gültig, — das, was nach ihm ta 
- konkret gerichtet und bestimmt wird, kann höchstens objektiv richtig 
ü sein. Es hat diese Eigenschaft, wenn es dem unbedingt geltenden formalen 
7 Gesetz in dieser besonderen Lage entspricht, soviel wir nur sehen können. 
© Aber es kann niemals ganz mit ihm zusammenfallen und volle Deckung finden, 
7 eben weil es von bedingtem Stoff ist; und es ist veränderlich und ver- 
. besserbar. Es ist keine ewige Wahrheit, aber es will auch keineswegs 
| bloß subjektive Bedeutung haben, sondern gegenständlich gerecht- 
© fertigt sein. Sonach darf man beim menschlichen Wollen, also auch bei 
i dem Rechte, nicht bloß zwei Möglichkeiten unterscheiden: absolut 
gültigen Rechtsinhalt und geschichtlich bedingten, sondern es ist 
} dreifach zu trennen: einmal die absolut gültige formale Methode 
- und sodann innerhalb des geschichtlich bedingten Rechtsinhaltes 
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