200 WILHELM KAHL: Kirchenrecht,
Staatswohl vereinbarlichen Maße gewährleistet, die Selbständigkeit der
Kirchen auf ihrem inneren und eigenen Lebensgebiete gewissenhaft
respektiert, die Staatsaufsicht anderseits auf dem ihr gesetzlich begrenzten
Gebiete der gemischten Angelegenheiten mit Ernst und Konsequenz ge-
handhabt, endlich die Parität unter dem Gesichtspunkte gerechter Differen-
zierung der Kirchen und Religionsgesellschaften aufrecht erhalten werden.
In allem aber muß es das besondere Ziel der Kirchenpolitik sein,
einen klaren Boden für die Verhältnisoräanung von Staat und Kirchen
in Deutschland zu gewinnen und zu behaupten. In Gesetzgebung und
Praxis fließen Bestandteile aller kirchenpolitischen Systeme ineinander.
Es erregt notwendig Irrungen, wenn die Behandlung der Beziehungen
zwischen Staat und Kirche schwankend geführt und mit Mitteln unter-
nommen wird, welche in ihren Voraussetzungen und Wirkungen sich wider-
sprechen. Auf dem Wege zu einer nach den gezeichneten Richtungen
prinzipiell abgeklärten Kirchenpolitik stehen gegenwärtig die Staaten des
Deutschen Reiches noch im Anfang der Entwickelung. Die großen
Einheitssysteme von Staat und Kirche haben einer Zeit von Jahrhunderten
bedurft, sich ein- und auszuleben. Das herrschende System der Kirchen-
hoheit des Staates hat sein erstes Säkulum jetzt eben durchschritten. Ihm
gehört die deutsche Zukunft für absehbare d.h. für eine solche Zeit,
deren Kulturinhalt vom Geschlechte der Lebenden noch mit verantwortet
werden muß.