2, PAUL LABAND: Staatsrecht,
Keine Teilung Es gibt daher in den deutschen Staaten keine Teilung der Gewalten
i°r Gewalten. im Sinne der von Montesquieu begründeten, weitverbreiteten und nament-
lich in der nordamerikanischen Verfassung scheinbar verwirklichten Theorie.
Die Staatsgewalt ist einheitlich und unzerstückelt. Aber die Funktionen
der Staatsgewalt sind ihrer Eigenart entsprechend an verschiedene Organe
verteilt und an verschiedene Formen gebunden, Wenn der Monarch unter
der Mitwirkung oder Zustimmung der Volksvertretung handelt, gleichviel
ob er dazu verfassungsrechtlich genötigt ist oder freiwillig diese Zu-
stimmung‘ einholt, bezeichnet man diese Form der staatlichen Willens-
äußerung als Gesetz und den Landtag als den gesetzgebenden Körper
und stellt dem Bereich, in welchem der Landesherr allein Regierungsakte
vorzunehmen befugt ist, die gesetzgebende Gewalt und ihre Sphäre gegen-
über. Da es ferner ein allgemein empfundenes Bedürfnis und eine für die
Rechtsordnung und den Rechtsschutz unentbehrliche Sicherung ist, daß
die Gerichte unabhängig von Anordnungen der Regierungsbehörden nach
eigener freier Überzeugung entscheiden, so faßt man die den Gerichten
übertragenen Funktionen mit Rücksicht auf diese Unabhängigkeit als die
richterliche Gewalt zusammen. Endlich bezeichnet man die übrigen staat-
lichen Funktionen, die Ausführung der Gesetze, die Verwaltung der staat-
lichen Geschäfte als die exekutive oder administrative Gewalt. Eine
objektive Abgrenzung der staatlichen Funktionen und eine Einteilung der
staatlichen Tätigkeiten wird dadurch aber in keiner Weise gegeben. Zum
Inhalt eines Gesetzes kann alles gemacht werden, was nur überhaupt
denkbarerweise Gegenstand eines staatlichen Willensaktes sein kann;
nichts ist von dieser Form ausgeschlossen. Die gesetzgebende Gewalt ist
daher ein unbegrenzter und deshalb nichtssagender, inhaltsloser Begriff.
Ebenso kann den Gerichten alles zugewiesen, alles entzogen werden; sie
haben auch in der Tat nicht bloß Entscheidungen zu fällen, sondern
massenhaft Verwaltungsgeschäfte zu erledigen, während anderseits zahl-
reiche Rechtsstreitigkeiten vom Rechtsweg ausgeschlossen sind. Auch
kann man jede Behörde gesetzlich als Gericht bezeichnen, wenngleich ihre
Zusammensetzung und ihr Verfahren geringe Garantien der Unabhängig-
keit bieten. Der Begriff der richterlichen Gewalt ist daher ebenfalls
inhaltslos und nichtssagend. Das gleiche gilt demzufolge auch von dem
übrigbleibenden Rest der staatlichen Tätigkeit, der sog. Exekutive oder
Verwaltung.
Die erwähnte Einteilung der Staatsgewalt hat dagegen in anderer
Richtung eine staatsrechtlich praktische Bedeutung. Die im konstitutionellen
Staat bestehende Ministerverantwortlichkeit ist vollkommen aus geschlossen
für alle unter Mitwirkung oder Genehmigung der Volksvertretung erfolgten
Regierungsakte. Für alle zur Zuständigkeit der Gerichte gehörenden Ge-
schäfte hat sie nur den negativen Inhalt, daß keine widerrechtliche Ein-
wirkung und Beeinflussung auf die gerichtliche Tätigkeit ausgeübt wird.
Für alle übrigen durch Verwaltungsbehörden zu führenden Geschäfte er-
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