Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

C, Begriff und Geltung des Rechtes. II. Recht und Willkür. XXV 
eine bessere Zeit weissagt er (32), da in Zukunft ein König gerecht 
herrschen wird, und Beamte dem Recht gemäß walten werden. Und in 
gleicher Weise ertönt es aus dem germanischen Norden, in der Frithjof- 
sage: „Wenn Macht im Ding entscheidet, wird Unheil kommen, doch Recht 
bringt Ruhm dem Könige, dem Lande Frommen.“ 
Wieder ist es aber erst die neuere Zeit, die es unternommen hat, die 
längst gefühlte Gegensätzlichkeit in scharfen Begriffen sich näher zu bringen 
und sie klar einzusehen. 
Freilich könnte es auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, wie 
hier überhaupt ein Zweifel möglich sei. Man möchte vielleicht meinen, 
daß es einfach darauf ankäme, das bestehende Recht zu beobachten und 
Recht und Willkür so zu scheiden, daß ersteres das selbstherrliche, soziale 
Wollen bedeute, das in Gemäßheit des seitherigen Rechtes erstanden sei, 
während die willkürliche Gewalt im Gegensatze zu einem geltenden Rechts- Rechts- 
gebot ihre Herkunft habe. Allein es ist zu beachten, daß neues „Recht“ N Een. 
sehr wohl entstehen kann und häufig entstanden ist, ohne daß es sich auf 
die Ermächtigung eines bis dahin geltenden Rechtes zu berufen vermag; 
und es ist nicht zu bezweifeln, daß durch Staatsstreich und Revolution 
und anderen willkürlichen Rechtsbruch doch oft ein rechtlicher Zustand 
geschaffen worden ist. Sieht man jedoch davon ab, so kann der begriff- 
liche Unterschied zwischen Recht und Willkür nicht durch eine Ver- 
weisung auf das in der Geschichte seither schon bestehende „Recht“ 
bestimmt werden. Denn woher weiß man, daß diese seitherigen Normen 
gerade dem Begriffe der rechtlichen entsprechen? Einmal muß für die 
wissenschaftliche Betrachtung logisch ein Anfang gemacht werden, an 
\ irgendeinem Punkte der Geschichte muß die formale Zerteilung der 
S rechtlichen und der willkürlichen Gewalt klar geschieden auftreten. 
% Dabei kommt es auf eine radikale Trennung beider Gebiete an, nicht 
N bloß auf eine Unterabteilung innerhalb der rechtlichen Normen. Wir 
S gebrauchen das Wort „Willkür“ allerdings wohl auch für einen inhaltlich winkür 
m schlechten Rechtszustand, und es hat sich besonders Jhering bemüht, "ea des 
danach Recht und Willkür einander gegenüberzustellen. Für ihn ist 
Willkür eine gesetzliche Bestimmung, bei welcher der Gesetzgeber 
| sich mit den allgemeinen Prinzipien des Rechtes in Widerspruch 
gesetzt hat. Dem gegenüber besteht jedoch zunächst die Aufgabe, den 
r Begriff des Rechtes einerseits und der Willkür anderseits in ihrer 
I formalen Eigenart zu bestimmen. Nach der materialen Übereinstimmung 
e mit den allgemeinen Prinzipien des Rechtes kann die Abgrenzung nicht 
h geschehen, denn es ist ja auch möglich, daß im besonderen Falle gerade 
N der Inhalt des geltenden Rechtes diesen Prinzipien entgegengesetzt war, 
A und umgekehrt der es brechende Akt mit ihnen übereinstimmt; und 
ee es würde danach auch unerklärt bleiben, wie es begreiflich ist, daß ein 
er willkürlicher Rechtsbruch selbst wieder zu einem rechtlichen Zustande 
A führen kann, auch in Fällen, in denen das also neu Geordnete mit den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.