Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

A. Der völkerrechtliche Verband. III. Die Quellen des Völkerrechts. 433 
tragsmäßiges Schiedsgerichtsverfahren nur ein schwaches Surrogat zu 
schaffen vermag. Ihrer Natur nach wird die F riedensordnung des Völker- 
rechts niemals diejenige innere Vollendung erreichen können, mit welcher 
der Einzelstaat seinen Landfrieden und sein Landrecht auszustatten vermag. 
Dem Völkerrecht ist es beschieden, eine juristisch unvollkommene Rechts- 
ordnung zu bleiben. Aber es ist positives Recht, nicht Naturrecht, nicht 
Staatenmoral und nicht Politik. Wissenschaftlich kann es nur mit Methode 
und Mitteln der Jurisprudenz erfaßt werden. Dem privaten und öffent- 
lichen Recht der Einzelstaaten tritt es als ein einzigartiges, die mensch- 
liche Gesellschaft auch über den Staat hinaus vereinigendes rechtliches 
Band gegenüber. 
Jedoch auch die Eigenmacht, die das Völkerrecht nicht wirksam zu Die Eigenmacht, 
verbieten vermag, und auf die es als äußerstes Mittel verweist, ist in 
Art und Verfahren unter Schranken gestellt, die einen wichtigen Teil 
seiner Ordnung bilden und zu deren ältesten Stücken gehören. Mannig- 
fache Formen und Stufen sind hierfür ausgebildet und in reicher Gestaltung 
begriffen. Es gibt keinen Teil des internationalen Rechtes, der sich einer 
So sorgsamen vertragsmäßigen Pflege erfreute, als gerade diese sprödeste 
aller Rechtsmaterien. Erst als letzte Instanz, wenn alle anderen versagen, 
erscheint heutzutage das gewaltige Gottesgericht des Krieges. Im Rechts- 
sinn ist er das von völkerrechtlichen Mächten mit organisierter Waffen- 
gewalt geführte, mit Rechtswirkung für die nicht beteiligten Staaten 
versehene Streitverfahren. Und in keiner Materie bewährt sich die 
Positivität des Völkerrechts augenfälliger, eindringlicher, entwickelungs- 
fähiger, als im Rechte des Krieges. 
HI. Die Quellen des Völkerrechts. Wenn es auch bei diesem Rechtsetzende 
Zuschnitt des Völkerrechts eine internationale Gesetzgebung‘ nicht geben 5“*verträge, 
kann, so wird doch dieser Mangel im Prozeß der Rechtsbildung bis zu 
einem gewissen Grad durch Staatsverträge ausgefüllt. Die zahlreichen, 
Rechtsregeln schaffenden Vereinbarungen, durch welche im Laufe der 
neuesten Zeit der von alters übernommene Bestand völkerrechtlicher 
Normen eine ungeahnte Bereicherung erfahren hat, zählen freilich keines- 
wegs sämtliche Glieder der Staatengemeinschaft zu ihren Signataren, und 
ein Rücktritt ist nicht ausgeschlossen. Sie haben, nicht anders als jeder 
Staatsvertrag im Grunde doch nur Rechtsverhältnisse unter den Pazis- 
zenten, nicht objektives Recht schaffen können. Tatsächlich indes tritt 
diese beschränkte Rechtskraft gänzlich zurück, wenn die Abrede, wie 
meist geschieht, von einer großen Zahl von Staaten getroffen worden ist, 
ja selbst schon dann, wenn nur die führenden, den Ausschlag gebenden 
Mächte sich zu ihr bekennen. Denn die nicht um ihre Zustimmung‘ be- 
fragten, oder die nicht beigetretenen sind solchenfalls kaum in der Lage, 
der Autorität der neuen Regel, zumal wenn sie ein bleibendes Interesse 
der Staatengemeinschaft darstellt, sich auf die Dauer wirksam zu entziehen. 
DIE KULTUR DER GEGENWART. II. 8. 
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