Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

A. Geschichtliche Einleitung. III. Die Kodifikationen. 5 
recht der Stadtrechte und Landrechte, war in der Hauptsache deutsches 
Privatrecht im eigentlichen Sinne des Wortes. 
Zwei Jahrhunderte lang (von 1500 bis 1700) lag die Kraft der deutschen Entwickelung 
Rechtsentwickelung auf dem Gebiete des gemeinen Rechts. Hinter dem 
gemeinen Recht stand die deutsche Reichsgesetzgebung, die deutsche 
Rechtswissenschaft und das höchste deutsche Reichsgericht. Die Recht- 
sprechung des Reichskammergerichts, die bis in den Ausgang des 17. Jahr- 
hunderts für ganz Deutschland von hochbedeutendem Einfluß war, stand 
grundsätzlich auf dem Boden des gemeinen Rechts; nach Partikularrecht 
ward nur erkannt, wenn die Partei bestimmtes positives, zugleich „leid- 
liches und ehrbares“ Ortsrecht nachzuweisen imstande war. Gerade durch 
die Rechtsprechung des Reichskammergerichts ist die Aufnahme des 
römischen Rechts, d. h. die Einfügung des römischen Rechts in die „Lücken“ 
der deutschen Partikularrechte an erster Stelle bewirkt worden. Die Praxis 
des Reichskammergerichts war nur ein Ausdruck der die Rechtswissen- 
schaft von damals beherrschenden Strömung. Die deutschen Partikular- 
rechte blieben von der Wissenschaft verlassen. Erst in der zweiten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts begann, insbesondere auf dem Gebiete des sächsischen 
Rechts, eine juristische Literatur auch partikularrechtlichen Bildungen das 
Licht und die Lebenskraft wissenschaftlicher Behandlung mitzuteilen. 
Sonne und Wind waren durch das ganze 16. und 17. Jahrhundert auf 
der Seite des gemeinen Reichsrechts, d.h. des fremden Rechts. Noch bis 
in die Mitte des 17. Jahrhunderts bedeutete das Reich eine Macht. Das 
Reich machte an erster Stelle die deutsche Politik, und die Rechtsprechung 
(Reichskammergericht), sowie die Gesetzgebung des Reiches machten an 
erster Stelle das deutsche Recht. Das ist seit der zweiten Hälfte des 
17. Jahrhunderts anders geworden. Seit dem Westfälischen Frieden war 
die Kraft des alten Reiches gebrochen. Der Staatsgedanke lebte von 
nun an in den Territorien, und die Frage war: welcher von diesen landes- 
herrlichen Staaten wird einstmals hervorbringen das neue Reich? Mit 
dem Sinken des alten Reiches und dem Aufsteigen der Landesstaatsgewalt 
mußte ein Rückgang auch des Reichsrechts, d.h. des gemeinen Rechtes 
und ein erneutes Emporkommen der landesrechtlichen, d.h. der partikular- 
rechtlichen Entwickelung sich verbinden. 
Seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts verlegt die deutsche Rechts- Entwickelung 
entwickelung ihre Schwerkraft wieder in die deutschen Landesrechte, d. h. x Partikelarrechte) 
in die Partikularrechte. Das gemeine Recht stand seitdem still. Die neuen 
Aufgaben, die seit dem 18. Jahrhundert z.B. auf dem Gebiete des Real- 
kredits (Hypothekengesetzgebung) sich aufdrängten, wurden ausschließlich 
von der Landesgesetzgebung in die Hand genommen. Die Reichsgesetz- 
gebung versagte. Das gemeine Recht fing an zu veralten. Das Partikular- 
recht ward in stetig steigendem Maße nicht bloß der Vertreter des ein- 
heimisch deutschen, sondern, was noch mehr zu bedeuten hatte, zugleich 
der Ausdruck des kommenden neuzeitlichen, der Gegenwart entsprechenden
	        
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