Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

22 RUDOLPH SOHM: System des bürgerlichen Rechts. 
der Mann, und selbst die verheiratete Frau besitzt männliche, brünhildische 
Kräfte trotz der Wirkung, welche die eheliche Gemeinschaft auf ihre 
persönliche und vermögensrechtliche Stellung ausübt. 
Unmündige. Unmündig ist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch nur noch die un- 
entwickelte oder geistig. abnorme Persönlichkeit: der Minderjährige und 
der Entmündigte. Entmündigung ist möglich wegen CGreisteskrankheit, 
Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht. 
Das Wesen der natürlichen Persönlichkeit ist die Rechtsfähigkeit. 
Auch der Unmündige ist rechtsfähig. Alle Privatrechte können ihm er- 
worben werden. Was ihm fehlt, ist nur die Geschäftsfähigkeit, die Fähig- 
keit, durch eigenen Willensentschluß über seine, sei es persönlichen, sei 
es vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu entscheiden. Er ist rechts- 
fähig, wenngleich er vom freien Gebrauch seiner Rechte ausgeschlossen ist. 
Namenrecht. Ausdruck der Rechtsfähigkeit ist der bürgerliche Name, d. h. der 
Name, welcher einer Person als Rechtssubjekt zukommt. Der bürgerliche 
Name ist Gegenstand eines Namenrechts. Gebraucht ein anderer unbefugt 
den gleichen Namen, so kann der dadurch in irgendwelchem Interesse 
verletzte Namenberechtigte auf Beseitigung der Beeinträchtigung klagen. 
Auch der angenommene Name, das Pseudonym eines Schauspielers, Schrift- 
stellers ist durch das Namenrecht geschützt. Das Namenrecht dient der 
Person zur Geltendmachung ihres Daseins, ihres Sonderseins und ihres 
Sonderwerts gegenüber anderen Persönlichkeiten. Das bürgerliche Ge- 
setzbuch hat das Namenrecht ausdrücklich anerkannt und damit den Schutz 
der Persönlichkeit als solcher vollendet. 
Wesen der I. Juristische Personen. Nicht bloß der Einzelne (die natürliche 
Dan Person) bedarf des Eigentums, sondern ebenso die gesellschaftlichen Ver- 
bände, die über dem Einzelnen sich erheben. Es wird in immer stärkerem 
Maße ein Vermögen notwendig, das den Verband als solchen (z. B. den 
Staat, die Gemeinde) für seine ununterbrochen wachsenden Aufgaben 
leistungsfähig macht. Die Rechtsform für solches Verbandsvermögen ist 
die juristische Persönlichkeit des Verbandes. 
Es hat einer Entwickelung bedurft, um zu dieser Rechtsform zu 
gelangen. 
Die naive Auffassung der Urzeit setzt den Verband gleich mit den 
Verbundenen. Das Vermögen des Verbands erscheint danach auf‘ der 
älteren Entwickelungsstufe des Rechts als gemeinsames Vermögen der 
Verbandsangehörigen: das Vermögen des Staats als gemeinsames Ver- 
mögen der Volksgenossen (Volkland), das Vermögen der Gemeinde als 
gemeinsames Vermögen der Gemeindegenossen (Almende). Diese Auf- 
fassung ist eine unzulängliche. Schon deshalb, weil sie den Verband 
gleichsetzt mit den gegenwärtig Verbundenen. Das Wesen der ge- 
sellschaftlichen Verbände aber ist, alle einzelnen Verbandsangehörigen 
zu überdauern, ein Leben zu führen, das von dem Leben der jeweiligen
	        
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