Consequenter Ludämoniemus. 9
der „Philosophie“ war keine Bestimmung gegeben, aus der sich
ein eindeutiger Wertmaßstab für das Verhalten im Einzelnen
hätte gewinnen lassen. Man pries die Glückseligkeit des
Weisen, die Selbstgenügsamkeit und Bedürfnislosigkeit seiner
Tugend, die Unabhängigkeit der auf der Tugend beruhenden
Glückseligkeit von äußeren Kinflüssen; der Begriff dieser
Tugend aber erschien dabei als ein selbstverständlich gegebener
vorausgesetzt: die Frage, wie die höchste ethische Norm sich
aus den im eudämonistischen Prineip bezeichneten elementaren
Tatsachen ableitet, blieb nach wie vor unbeantwortet. |
Ein Fortschritt zu einem consequenteren Kudämo-
nismus gegenüber dem Hedonismus vollzieht sich in diesen
Überlegungen nicht nur insofern. als in der Tugend des Weisen
die Rücksicht auf alle Folgen der Handlungen vorausgesetzt
wird, sondern auch insofern, als in der bleibenden Ruhe
der Seele das höhere Ziel gegenüber der vergänglichen
Lust des Augenblickes erkannt wird. Zu demselben Ergebnis
führt eine andere Gedankenreihe, welche von vornherein dem
Empirismus näher steht, indem sie nicht von dem dogmatischen
Tugendideal, sondern von dem eudämwunistischen Prinecip als
solchem ihren Ausgang nimmt und nur die Inconsequenzen
des Hedonismus zu vermeiden sucht. Nicht jede Lust ist zu
erstreben, nicht jeder Schmerz zu vermeiden: nur in der rich-
tigen. Abmessung, welche auch die späteren Folgen unserer
Bestrebungen mit in Betracht zieht, besteht das consequent
eudämonistische Verhalten. Eben diese richtige Abmessung
Jäßt die geistige Lust als die höhere gegenüber der sinn
lichen Lust erscheinen, weil sie einerseits von äußeren Kin-
flüssen unabhängig, andererseits niemals von unerfreulichen
Folgen begleitet ist. Als der erstrebenswerteste Zustand muß
folgerichtig auch nach dieser Überlegung die ruhige Heiter-
keit der Seele bezeichnet werden.
Das positive Ergebnis dieser Überlegung stimmt, wie man
sieht, mit dem der vorher bezeichneten dogmatischen Gedanken-
reihe vollständig überein. Wenn wir aber zur Erreichung
jenes erstrebenswertesten Zustandes auch hier auf die Tugend
verwiesen werden, die mit der „vernünftigen Einsicht“ zu-
sammenfalle, so bleibt auch derselbe Mangel hier wie dort
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