Eleatische Philosophie. 9
Die Philosophie des Xenophanes erweist sich mit eben diesen
Bestimmungen noch durchaus als Naturphilosophie, als Theorie
der räumlichen Welt.
Des Xenophanes Lehre vom All-Einen wurde von Parme-
nides aus Elea weitergebildet. Erst die begriffliche Unter-
suchung des Parmenides läßt den Gegensatz jenes wahren, ein-
heitlichen und beharrlichen Seins zu der bloß scheinhaften, in
Wahrheit „nichtseienden‘“ Welt des Vielen und der Veränderungen
klar hervortreten. Dieser Gegensatz gilt von hier an als das
wesentliche Ergebnis des eleatischen Denkens und wird von den
Anhängern des Parmenides mit kunstvollen Beweisen weiter aus-
geführt. Der Behauptung des Parmenides, daß das Nichtseiende
— d.h. die Welt der Erscheinungen, der Vielheit und der Ver-
änderungen — überhaupt nicht gedacht werden könne, scheint
die Tatsache zu widersprechen, daß er selbst der Lehre vom
Seienden eine Lehre vom Nichtseienden positiv gegenüberstellt;
ja sie scheint durch die tatsächlich gegebenen und somit doch
sicherlich auch möglichen Vorstellungen: von Vielheit und
Veränderung direct widerlegt. Dieses Bedenken würde nur
dann gehoben sein, wenn gezeigt würde, daß unsere scheinbar
so selbstverständlichen Begriffe von Vielheit und Veränderung
tatsächlich an inneren Widersprüchen leiden — daß wir
also nur scheinbar im Stande sind, diese Begriffe zu denken
Die Beweise des Zenon, die sich gegen die Möglichkeit der
Vielheit und der Bewegung richten, suchen solche Wider-
sprüche aufzuzeigen. Scheinbar. erreicht in diesen Beweisen
der Kampf gegen die Realität der Erscheinungswelt seinen Höhe-
punkt. Eine spätere Betrachtung wird uns freilich zeigen, daß
die tatsächliche Bedeutung der Zenonischen Beweise sich keines-
wegs gegen die Realität der Erscheinungen, sondern vielmehr
direct gegen die naturalistische Weltanschauung richtet.
Bavor wir die weitere Entwicklung verfolgen, die von
jener unfruchtbaren Negation der Erseheinungswelt zur Natur-
S erklärung zurückführt, müssen wir unsere Aufmerksarukeit noch
a einer zweiten Gedankenreihe zuwenden, die, der bisher be-
d trachteten diametral entgegengesetzt, schon an diesem Punkte
a. die Perspective auf die erkenntnistheoretische Lösung der
BJ.