Unerklärbarkeit der Erscheinungswelt. 119
Lebenserscheinungen nur eben in den materiellen Vorgängen
bestehen, welche durch. die Organisation unseres Körpers (in
erster Linie unseres Nervensystems) bedingt sind, so müssen
jene Lebenserscheinungen mit der Zerstörung dieser ihrer >Be-
dingungen notwendig ihr Ende finden. Es ist Täuschung und
Selbstüberhebung, wenn wir das unscheinbare Häuflein indi-
vidueller Lebenserscheinungen zu etwas Ewigem und Gött-
lichem machen wollen; das einzig Ewige und Göttliche ist
die Materie mit den unwandelbaren Gesetzen ihrer Bewegung.
So siegreich sich die materialistische Theorie scheinbar
in all diesen Punkten behauptet, so bleibt doch eine Tatsache
übrig, die ihr verhängnisvoll wird. Wir wollen für den Augen-
blick zugeben, es sei erwiesen, daß alle Erscheinungen unseres
Bewußtseinsverlaufes durch materielle Vorgänge in unserem
Nervensystem bedingt seien -— daß also nicht nur unsere
Empfindungen samt ihren gegenseitigen Beziehungen, sondern
auch unsere Erinnerungen und Phantasievorstellungen, unsere
Zweifel und Urteile, unsere Gefühle und Stimmungen, unser
Lieben und Hassen, Wünschen, Streben und Wollen durch-
gängig und überall durch die materiellen Vorgänge in unserem
Nervensystem eindeutig bestimmt seien —: so bleibt doch die
Frage, wie denn durch diese materiellen Vorgänge jene davon
verschiedenen Erscheinungen unseres Bewußtseins hervorge-
bracht werden? Denn auch wenn wir weiter zugeben, daß
diese Erscheinungen nur Trugbilder sind, die uns das wahre
Wesen der Welt verhüllen: so sind sie doch eben vorhanden
— und es bleibt die. Frage, wie die Welt der Materie und
ihrer Bewegungen uns diese bunte, trügerische Welt der Er-
scheinungen vorzuspiegeln vermag.
Denn tatsächlich ist doch diese Welt der Bewußtseins-
erscheinungen verschieden von der Welt der Materie und
ihrer Bewegungen. Nirgends sehen wir ja die Atome und
ihre Bewegungen. Wenn wir blaue Farbe sehen, oder den
Ton a hören, so nehmen. wir doch nicht die Erschütterungen
im elektromagnetischen Zustande des Äthers und nicht die
Verdichtungen und Verdünnungen der Luft wahr, . die uns
die Physik als Grundlagen jener Erscheinungen aufweist;
und wir nehmen ebenso nichts wahr von den materiellen Vor-
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