Sensualistische Theorien. 123
die späteren KErneuerer des Atomismus können unter dem
Einfluß der inzwischen aufgetretenen psychologisch-idealistischen
Theorien die rein materialistische Weltanschauung nicht wieder-
gewinnen, vermischen dieselbe vielmehr mit sensualistischen
Theorien.
Erst zu Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts
tritt in den neuen, von der mittelalterlich-scholastischen Tra-
dition unabhängigen philosophischen Bestrebungen auch die
materialistische Weltansicht wieder zu Tage. Bei Gassendi
nur schüchtern angedeutet und mit christlichen Dogmen ver-
einbart, gewinnt der Materialismus einen consequenten Ver-
treter in Hobbes, der nur Körper als Seiendes anerkennt und
alle Erscheinungen — auch die Associationen der Vorstellungen -—
mechanisch zu erklären sucht. Weitere Verbreitung haben die
materialistischen Theorien in der französischen Aufklärungs-
literatur des 18. Jahrhunderts gefunden. Das grundlegende
Werk dieser neuen Epoche des Materialismus ist de Lamettrie’s
Buch „l’homme machine“, welches mit großer wissenschaft-
licher Consequenz die sämtlichen Lebenserscheinungen der
Tierwelt wie des Menschen rein mechanisch zu erklären sucht.
In Holbachs „Systöme de la nature“ wird auf derselben
materialistischen Grundlage die Erklärung des Weltganzen
versucht, wobei die antitheologischen Consequenzen des Materia-
lismus ausdrücklich betont werden.
Eine verspätete Blüte erlebte der Materialismus in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nachdem die Philosophie
längst die Erkenntnisse gewonnen hatte, die das Fundament
des Materialismus endgültig zerstören. Als Hauptvertreter
dieses Neumaterialismus sind Büchner, Carl Vogt, Czolbe
und Moleschott zu nennen — der letztere. ein leuchtendes
Beispiel für die Vereinbarkeit materialistischer Theorien mit
idealer Gesinnung auf praktischem Gebiete. Die Nachwirkungen
dıeses meist mit sensualistischen Elementen unklar vermengten
Neumaterialismus sind noch bei der heutigen naturwissenschaft-
Jlich-medieinischen Generation auf Schritt und Tritt anzutreffen.