Full text: Einleitung in die Philosophie

IH $ 16. Der sensualistische Idealismus. 
In welcher Weise diese Einseitigkeit des Idealismus zu 
überwinden ist, werden wir im zweiten Teile dieses Buches zu 
betrachten haben. Für den Augenblick sei nur nochmals aus- 
drücklich. daran erinnert, daß die idenlistische Position insofern 
dogmatisch bleibt, als sie das beharrlıche Sein in der Welt 
der Dinge ebenso kritiklos leugnet, wie der Materialismus das- 
selbe als selbstverständlich vorausgesetzt hatte. Die Frage, ob 
wir nicht trotz der rein sensualistischen Grundlage unserer 
Erkenntnis der Welt dennoch mit der Behauptung der von 
unserer Wahrnehmung unabhängigen Existenz der 
Dinge einen verständlichen Sinn verbinden können und woher 
die. unerschütterliche Gewißheit stammt, mit welcher der naive 
Verstand trotz der idealistischen Beweisführung an dieser Be- 
hauptung und dem Glauben an ihre Berechtigung häugt, 
scheint von idealistischer Seite niemals allgemein gestellt 
worden zu sein. Nur-in einem speciellen Falle -— nicht mit 
Bezug auf die Begriffe des Alltagslebens, sondern auf diejenigen 
der Wissenschaft — ist die Frage tatsächlich richtig gestellt 
und beantwortet worden. Berkeley macht der von ihm auf- 
gestellten idealistischen Theorie den Einwurf, wie denn mit 
ihr die großen Entdeckungen der Astronomie, die Gesetze der 
Planetenbewegungen bestehen können: was es noch für einen 
Sinn habe, von solchen Gesetzen zu reden, wenn doch die 
materiellen Dinge nicht mehr existierten, während sie nicht 
wahrgenommen würden? Seine Antwort lautet: jene Gesetze 
behalten ihren guten Sinn. und ihre Gültigkeit; sie müssen 
nur eben im Sinne des Idealismus ausgelegt werden. Diese 
Auslegung aber kann nur dahin lauten, daß jene Gesetze uns 
sagen, wie die Bahnen der Planeten sich uns darstellen 
würden, wenn wir sie von verschiedenen Standpunkten 
in der Welt beobachteten: für dies verschiedenen Wahr- 
nehmungen, die unter solchen Bedingungen zu. ge- 
wärtigen wären, geben uns jene Gesetze den einfachen 
zusammenfassenden Ausdruck. 
Es hätte nur der Verallgemeinerung dieser Antwort, ihrer 
Anwendung auf den alltäglichen Begriff der beharrlichen 
Dinge bedurft, um die Paradoxie des dogmatischen Idealismus 
für immer zu überwinden. 
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