Full text: Einleitung in die Philosophie

1 8 18, Der naturalistische Dualismus. 
hören wir auf, von ihnen zu leiden. Die Erkenntnis Gottes und 
die dadurch bedingte Liebe zu Got% ist somit unser höchstes Ziel. 
Man sieht, daß hier von einem moralischen Urteil 
über unser Verhalten im herkömmlichen Sinne des Wortes um 
so weniger die Rede sein kann, je weiter die bezeichnete Er- 
kenntnis fortschreitet, da uns dieselbe unser Denken wie unser 
Handeln zwar als begründet in unserem eigenen Wesen, dieses 
unser Wesen selbst aber als Teil der göttlichen Natur erweist, 
so daß tatsächlich all unser Wollen und Handeln eben gött- 
liches Wollen und Handeln, d.h. durch die übergeordnete 
göttliche Substanz in jeder Hinsicht notwendig bedingt ist. 1 
In der Ausführung der Theorie Spinozas und ihrer An- 
wendung auf die ethischen Probleme erreicht die metaphysische 
Systematik des naturalistischen Denkens ihren Höhepunkt. 
Soweit die künstlerische Einheit der Weltanschauung ohne 
erkenntnistheoretische Analyse zu gewinnen ist, läßt sie sich 
wohl nicht vollkommener erreicht denken, als sie in Spinozas 
Lehre zu Tage tritt. Die Mängel dieser Lehre liegen einzig 
in ihren naturalistischen Voraussetzungen, vor allem in der 
dogmatischen Verwendung des Substanzbegriffes. Woher wir ' 
diesen Begriff haben und mit welchem Rechte wir ihn an- 
wenden, darüber gibt uns die Lehre Spinozas keine Auskunft. 
Aus eben diesem Grunde ist auch seime Lösung des ersten 
Vermittlungsproblems keine endgültige. Viehnehr tritt dieses 
Problem in einer neuen Einkleidung alsbald wieder hervor. 
Das Problem der Determination — der Art, wie aus der 
Einheit der göttlichen Attribute die Vielheit der einzelnen 
Erscheinungen entspringt, oder mit anderen Worten, wie die 
Mannigfaltigkeit des Einzelnen zu Stande kommt, die sich uns 
unter unserer zeitlichen Anschauungsform darstellt, während 
sie doch .in ihrer Totalität, „sub specie aeternitatis“ betrachtet, 
nichts Anderes ist, als die einheitliche göttliche Substanz —. 
dieses Problem vermag Spinoza zu einer klaren Lösung nicht 
zu bringen. Die Schwierigkeit ist genau dieselbe, welche sich 
dem eleatischen Denken entgegenstellte: wie dort das Ver- 
hältnis des einheitlichen beharrlichen Seins zu der Mannig- 
faltigkeit der Naturvorgänge, so bleibt auch hier das Ver- 
hältnis der einheitlichen unendlichen göttlichen Substanz zu 
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