Full text: Einleitung in die Philosophie

172 8 20. Die Aufgabe der erkenntnistheoretischen Philosophie, 
besitzes zu gelangen, gilt es daher nur, eben jene 
Einseitigkeit zu vermeiden: nicht nur den einen oder den 
anderen, sondern sämtliche Factoren zu untersuchen, aus 
welchen unsere Erfahrung sich aufbaut, und die Art dieses 
Aufbaus zu verfolgen und klarzustellen. 
Eine Theorie, welche diese Aufgabe löst, wird nicht wie 
jene idealistischen Theorien mit den Begriffsbildungen des 
natürlichen Denkens in Conflict geraten: sie wird die natura- 
listischen Begriffe nicht sowohl beseitigen, als vielmehr in 
ihrer Entstehung begreifen und so ihre Bedeutung klar- 
legen. Nicht auf Zerstörung, sondern einzig auf endgültige 
Klärung des natürlichen Weltbildes kann ihr Unternehmen 
hinauslaufen, Wenn sio allgemein zu zeigen weiß, durch welchen 
Gedankenmechanismus sich aus den Elementen aller Erfahrung 
unsere complicierteren Erfahrungen aufbauen, so muß sie auf 
diese Weise nicht nur über die Entstehung und Bedeutung 
aller Begriffe Klarheit gewinnen und dadurch die Probleme 
beseitigen, die an den vorwissenschaftlichen wie an den wissen- 
schaftlichen Begriffen haften, sondern zugleich Aufschluß 
darüber geben, auf welchen Wegen jeder weitere Fortschritt 
unserer Erkenntnis sich vollzieht und welches die Grenzen 
sind, die für diesen Fortschritt in der Natur unseres Erkennens 
gegeben, sind.. 
Der Weg, den diese Untersuchung einschlagen muß, wenn 
sie ihr Ziel erreichen will, wurde bereits in den einleitenden 
Betrachtungen angedeutet, Nur in den Tatsachen unseres 
Bewußtseinsverlaufes, unseres psychischen Lebens ist 
uns sowohl das Material, aus welchem sich unser Weltbild 
zusammensetzt, als auch die Gesamtheit der Factoren gegeben, 
mittels deren die Entwicklung dieses Weltbildes sich vollzieht: 
die Inhalte unserer Wahrnehmung wie die Formen und Öpera- 
tionen unseres Denkens sind psychische Tatbestände in dem 
früher erklärten Sinne, Die geforderte Untersuchung muß 
daher, als Untersuchung eben dieser Tatbestände, notwendig 
psychologische Untersuchung sein. Und zwar wird diese 
psychologische Untersuchung nicht vom irgendwelchen dog- 
matischen Voraussetzungen ausgehen dürfen, sondern sie hat
	        
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