Hindernisse erkenntnistheoretischer Untersuchung. 175
mit unseren einzelnen Erfahrungen vermöge jenes allgemeinen
psychologischen Entwicklungsmechanismus zusammen-
hängen, welcher die Entstehung der Bedeutung der complieier-
teren Begriffe aus einfacheren Erlebnissen beherrscht; — mit
anderen Worten: die Untersuchung der Entwicklung der
Bedeutung unserer Begriffe schließt auch die. Untersuchung
des Inductionsmechanismus in sich.
Mit der Lösung der im Vorigen bezeichneten Aufgabe. ist
der Übergang von der dogmatischen zur rein empiristi-
schen!) Philosophie endgültig vollzogen, falls die Voraus-
setzung zutrifft, daß in der Untersuchung der Elemente unserer
Erfahrung wie der Gesetze ihrer Entwicklung wirklich alle
dogmatischen Begriffe ausgeschlossen bleiben und die geforderte
Untersuchung bis zur Erkenntnis der letzten Factoren unseres
Bewußtseinsverlaufes durchgeführt wird.
Beide. Voraussetzungen sind jedoch in der historischen
Entwicklung ‚der Erkenntnistheorie keineswegs von vorn-
herein. erfüllt, Vor allem dürfen wir die vollständige Über-
windung des naturalistischen Dogmatismus nicht sogleich bei
den ersten ‚Versuchen der psychologischen Analyse unseres
Erkeuntnisbesitzes erwarten. Tatsächlich. stehen vielmehr diese
Versuche die längste Zeit hindurch und vielfach noch heute
unter der Herrschaft der naturalistischen Begriffe, durch welche
sie auf Schritt und Tritt behindert und von ihrem Ziele. ab-
gelenkt werden. Ein zweites Hindernis aber erwächst auch
der erkenntnistheoretischen Philosophie, aus der einseitigen
Betonung des einen oder des anderen ‚Teiles ihrer oben be-
zeichneten Aufgabe. Die ersten Versuche erkenntnistheoreti-
scher Begründung der Philosophie laufen in Skepsis aus, weil
sie sich auf die Analyse und Classification. der ‚unmittelbar
vorgefundenen . Bestandteile unseres Bewußtseinsverlaufes be-
1) Gegenüber mehrfach aufgetretenen Mißverständnissen sei an
dieser Stelle nochmals betont, daß das Wort „empiristisch“ in diesem
Buche überall nur den Gegensatz zum Dogmatismus bezeichnet; daß
also die geforderte „empiristische‘* Philosophie keineswegs von VvOrN-
herein ihrer Tendenz nach zu irgend einer kritischen Bestrebung im
Gegensatze steht.