Fehler der atomistischen Psychologie. 211
unseres Bewußtseiusverlaufs, nicht eine bloße Summe be-
ziehungsloser Impressionen und Ideen, aus welchen sich uach
den Associationsgesetzen das Gebäude unserer Erfahrung zu-
sammensetzte. Das unmittelbar Gegebene ist vielmehr eben
dieses Gebäude selbst, in welchem jene Bestandteile sich zu
einem einheitlichen Ganzen verbunden zeigen.) Wohl ver-
mögen wir die einzelnen Bausteine in diesem Ganzen zu unter-
scheiden und in Gedanken einzeln festzuhalten, indem wir von
dem Zusammenhange abstrahieren, in welchem sie sich tat-
sächlich finden. Wenn wir aber diesen Zusammenhang selbst,
den Aufbau unseres psychischen Lebens und unserer gesamten
Erfehrung aus ihren. Elementen verstehen wollen, so dürfen
wir gerade diese Abstraction nicht vollziehen, sondern müssen
im Gegenteil unser Augenmerk eben auf die Beziehungen
richten, welche jenen Zusammenhang begründen. Mit anderen
Worten, wir müssen zur Erreichung unseres Zieles nach den
Merkmalen fragen, durch welche der Zusammenhang der
Teile unseres Bewußtseinsverlaufes in jedem Augenblick
charakterisiert erscheint — gleichviel welches die jeweiligen
Teilinhalte unseres Bewußtseins sein mögen.
Gelingt es uns, diese Merkmale in allgemeiner Form zu
erfassen, so werden wir eben damit zugleich die Erkenntnis
der Bedingungen gewonnen haben, von welchen die Möglich-
keit des Aufbaus unserer Erfahrung aus jenen ein-
zelnen Elementen abhängt; erkennen wir aber ferner jene
1) Die ganze folgende Untersuchung geht — im Anschluß an
Kant -— von dieser tatsächlich gegebenen Einheit unseres Bewußtseins
aus. Wie weit solche Einheit überall gegeben ist und wie weit unser
Bewußtsein ohne diese Einheit überhaupt nicht gedacht werden
kann, zeigen die einzelnen Nummern dieses Paragraphen. — Da einige
meiner Kritiker die Verwandtschaft zwischen den Ausführungen des
Textes und der transcendentalen Logik Kants nicht gesehen haben,
sondern diese Ausführungen für „paychologischen Positiviemus“ halten, er-
scheint die Bemerkung nicht überflüssig, daß die gesamten folgenden
Betrachtungen, als Untersuchungen der Möglichkeit der Er-
fahrung, auf den Namen transscendentaler Untersuchungen im Sinne
Kants Anspruch erheben. Sie stimmen allerdings in ihren Ergebnissen
keineswegs überall mit denjenigen Kants überein; ich beabsichtige
vielmehr durch meine Ausführungen gerade die Unklarheiten zu be-
seitigen, die der Theorie Kants anhaften.
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