Die Ähnlichkeitserkenntnis. 219
stets als ein mehr oder minder Bekanntes, in. ähnlicher
Weise schon früher Erlebtes charakterisiert. Die Arten dieser
Inhalte sind uns geläufig: jedes Erlebnis wird sogleich als eine
Tatsache dieser oder jener schon bekannten Art wieder-
erkannt. Was die Erinnerungserlebnisse angeht, so bedarf
diese ihre „Bekanntheit“ nach den.vorigen Betrachtungen keiner
weiteren Erklärung. Dagegen weist das Wiedererkennen der
Empfindungen auf einen neuen Factor unseres psychischen
Lebens: eine Ähnlichkeit des Neuen mit dem Ver-
gangenen ist es, die sich uns darin kundgibt und durch die
uns das Neue zum schon Bekannten, d. h. zu einem neuen
Falle einer schon von früher bekannten Art gestempelt wird.
Eben diese unmittelbare Ähnlichkeitserkenntnis tritt als
ein neuer Factor für den Zusammenhang unseres Bewußtseins-
lebens zu .den vorher betrachteten Factoren hinzu.
Um die allgemeine Bedeutung dieses Factors für unser
psychisches Leben zu verstehen, wollen wir für einen Angen-
blick annehmen, daß- derselbe uns fehle: — daß also nirgends
eine Ähnlichkeitserkenntnis stattände. Alsdann ‚würde jeder
unserer neuen Eindrücke uns als ein völlig fremder, unbe-
kannter entgegentreten: wir würden eine Farbe nicht als
Farbe, einen Ton nicht als Ton zu erkennen im Stande sein;
wenn wir auch sehon tausende verschiedener Farben- und Ton-
empfindungen in unserem vergangenen Leben vorgefunden
hätten und uns derselben im Einzelnen zu erinnern vermöchten,
so würde doch unter der gemachten Voraussetzung. jeder dieser
Inhalte völlig isoliert, ohne jede Verwandtschaft mit den übrigen
erscheinen. Ein Chaos ewig freinder und ewig unbegreiflicher
Inhalte ohne. andere als zeitliche Ordnung würde den Lauf
unseres Bewußtseinsstromes bilden. Erst durch die Ähn-
lichkeitserkenntnis kommt in dieses Chaos Ordnung;
erst durch sie gewinnen wir unsere einfachsten wie unsere
compliciertesten Begriffe, mittels deren wir das Mannig-
faltige unserer Erlebnisse in einheitlicher Form zu überschauen
vermögen.
Die unmittelbare Erkenntnis der Ähnlichkeit ist nicht auf
einfache Inhalte beschränkt. Vielmehr erkennen wir in der-
selben. Weise auch Complexe von Inhalten wieder, und Zwar