Unterscheidung successiver Inhalte. 231
wird, als eın unbestimmter Hintergrund des Bewußtseins,
yon dessen Dasein wir uns in jedem Augenblick zu überzeugen
vermögen und der unseren Gesamtzustand wesentlich mitbeein-
flußt, ohne daß wir doch über seine nähere Beschaffenheit
Rechenschaft zu geben wüßten.
Was hier mit Hilfe der oben gewonnenen Begriffe be-
schrieben wird, stellt sich unmittelbar nur als eine Menge
teils gleichzeitiger, teils successiver, mehr oder minder bestimmter
und in bestimmten Beziehungen zu einander geordneter Wahr-
nehmungen dar. Die Vorgänge der Unterscheidung, der Er-
innerung und des Wiedererkennens, welche aller Erkenntnis und
näheren Bestimmung der Inhalte zu Grunde liegen, werden
dabei selbst nicht einzeln successive von uns unterschieden
und beurteilt, treten vielmehr nur für unser reflectierendes
Denken als gesonderte Factoren hervor.
Von einer directen Beobachtung der Succession in
unserem Bewußtseinsverlaufe kann in der Tat nur so weit
die Rede sein, als sich jedes Mal wirklich eine Unterschei-
dung successiver Inhalte vollzieht. Jede neue solche
Unterscheidung aber tritt erst wieder nach einem endlichen
Zeitabschnitte ein — oder genauer gesprochen, wir finden
an den successive unterschiedenen Teilen jederzeit ein Merkmal
vor, welches wir als die Zeitdauer des , betreffenden. Feiles
bezeichnen. Der Ablauf unseres Lebens zeigt sich uns dem-
gemäß unmittelbar als eine Succession von Teilen endlicher
Dauer, derart, daß während eines jeden dieser Teile keine
Unterscheidung weiterer successiver Teile eingetreten, vielmehr
der Bewußtseinsinhalt ein einheitlicher gewesen ist. Die
Gegenwart ist jeweils der Inhalt eines solchen Zeitraumes;
wir müssen daher. davon sprechen, daß die Gegenwart stets
eine endliche Dauer besitzt.”)
Jeder dieser successiven Teile aber erscheint als Teil
= _ 1) Innerhalb einer solchen endlichen Gegenwart kann trotzdem
sehr wohl eine Erkenntnis veränderlicher Inhalte stattfinden: solcher
Inhalte nämlich, deren Qualität uns auf Grund früherer Erfahrungen
unmittelbar als „bewegte“ im Gegensatze zu den „ruhenden‘“ bekannt
ist. Die nähere Ausführung dieser Tatsachen findet sich in meiner
Psychologie (1897), S. 129—132.
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