Entwicklung der Wahrnehmungsbegriffe. a)
über den eventuellen Eintritt von Wahrnehmungen aller der-
jenigen Arten etwas aussagt, die uns von den übrigen Eigen-
schaften des betreffenden Dinges Kunde geben.
Auf welchem Mechanismus die Bestimmungen dieser zweiten
Art beruhen, soll in einem späteren Abschnitte. untersucht
werden. Zunächst beschränken wir uns auf die Betrachtung
derjenigen Bestimmungen, welche der ersten Kategorie ent-
sprechen.
Bereits weiter oben wurde bemerkt, daß die Unbestimmt-
heit des Wiedererkennens mit derjenigen des Gedächtnisses
Hand in Hand geht. Wir können uns von dieser Unbestimmt-
heit jederzeit überzeugen, wenn wir etwa eine vorgelegte Farbe
auf Grund unseres Gedächtnisses mit einer anderen, nicht
gegenwärtig vorliegenden Farbe als gleich beurteilen, und bei
nachträglichem direetem Vergleich noch erhebliche Verschie-
denheit erkennen. Ohne die einschlägigen Tatsachen hier im
Allgemeinen zu verfolgen, wollen wir uns vielmehr an einem
Beispiele über die Entwicklung größerer Bestimmtheit des
Wisedererkennens orientieren.
Jeder von uns besitzt den Begriff musikalischer Töne,
ihrer verschiedenen Höhe und Tiefe, ihrer verschiedenen Stärke,
sowie der verschiedenen Klangfarbe, welche den Tönen ver-
schiedener Instrumente — etwa des Klaviers, der Violine, der
Trompete — zukommen, Wir sind aber in den Besitz dieser
Begiffe nicht etwa schon mit unserer Geburt gelangt, sondern
wir haben dieselben erst im Laufe unseres Lebens kennen und
unterscheiden gelernt.*)
Wir wollen uns, um die Entwicklung dieses Besitzes zu
verstehen, ein Kind vorstellen, welches die fraglichen Begriffe
noch nicht besitzt, weil es bisher noch keinerlei musikalische
4) Das Erlernen dieser Begriffe hat vielleicht bei Vielen von uns
bereits in frühester Kindheit stattgefunden; Andere werden sich dagegen
—— gleich dem Verfasser — der fraglichen Erlebnisse noch dentlich zu
evinnern vermögen. Immerhin dürften auch jene Ersteren im Stande
sein, aus den Erfahrungen ihres entwickelten Lebens einen sicheren
Schluß auf die Vorgänge zu ziehen, durch welche ihnen die Bekannt-
schaft mit jenen Begriffen vermittelt wurde.
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