Full text: Einleitung in die Philosophie

25 8 26. Gestaltqualitäten. 
Bereits früher wurde bemerkt, daß auch Complexe von 
Inhalten in derselben Weise wiedererkannt werden, wie die 
einzelnen Inhalte, und zwar ohne daß dazu das Wieder- 
erkennen ihrer einzelnen Bestandstücke erforderlich wäre. 
In der Tat bestehen Ähnlichkeiten von Complexen unabhän 
gig davon, ob deren entsprechende Bestandstücke gleich sind 
oder auch nur als Inhalte „derselben Art“ wiedererkannt 
werden. Eine Reihe verschiedener Inhalte, die in gleichen 
Zeitabständen folgen oder sonst einen bestimmten zeitlichen 
Rhythmus einhalten, weist mit einer anderen Reihe „desselben 
Rhythmus“ eine unmittelbar zu erkennende Ähnlichkeit auf, 
auch wenn uns die einzelnen Inhalte nicht als „dieselben“ 
oder als „ähnliche“ Inhalte‘ entgegentreten. (Man denke an 
die Anlichkeit zwisehen rhythmischen Bewegungsempfin- 
dungen und rhythmischen Tonreihen.) Die Anwendung der 
vorigen Betrachtungen auf Fälle dieser Art zeigt, wie wir zu 
dem Begriff solcher bestimmten „rhythmischen Anordnung“ ge- 
langen: die unmittelbar gegebene Tatsache, die dieser Begriffs- 
bildung zu Grunde liegt, ist eben jene Ähnlichkeit der betreffenden 
Reihen, die trotz der Verschiedenheit ihrer Bestandteile basteht 
und sich dem Bewußtsein aufdrängt. / 
In derselben Weise wie in diesem Beispiele gelangen wir 
allgemein zu den Begriffen derjenigen Merkmale von Com- 
plexen, durch welche die Complexe sich von der Gesamtheit 
der Merkmale ihrer Bestandteile unterscheiden — vermöge 
deren also der Complex jeweils mehr ist, als die bloße Summe 
seiner Bestandteile. 
Die sämtlichen verschiedenen Arten der Anordnung, 
in welchen die Inhalte unserer Wahrnehmung auftreten können, 
die gleiche Form, die wir an verschiedenen Teilen unseres 
Gesichtsfeldes, die gleiche Melodie, die wir an Tonfolgen 
verschiedener Höhe, die gleiche Färbung, die wir &n ver- 
schiedenen Zusammenklängen bemerken — all dies sind. Quali- 
täten der eben bezeichneten Art. Ebenso gehören zu diesen 
Qualitäten die räumlichen Distanzen, welche wir verschie- 
denen Punkten in unserem Gesichtsfelde, die „qualitativen“ 
Distanzen, die wir verschiedenen Tönen oder verschiedenen 
Farbaualitäten zuschreiben — kurz alles, was wir an bestimmten 
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