6 8 1. Der Begriff der Philosophie.
chende, aber nichtsdestoweniger dem Sinne der Wortstämme
besser entsprechende Übersetzung bringt uns unserem Ziele
näher. Wenn wir Philosophie statt mit Weisheitsliebe mit
Streben nach Klarheit übersetzen, so haben wir mit dieser
Übersetzung tatsächlich das gemeinsame Merkmal und .die ge-
meinsame Wurzel aller jener Bestrebungen bezeichnet, welche
zu den verschiedensten Zeiten unter dem Namen Philosophie
verstanden worden sind.
Halten. wir uns zunächst an die weiteste Bedeutung der
gegebenen Übersetzung, so muß als philosophisch in diesem
weitesten Sinne jede rein wissenschaftliche Bestrebung
gelten — jede Bestrebung also, der es um den Gewinn an
Klarheit als solcher zu tun ist. Alles wissenschaftliche Denken
welches nicht zum Zwecke irgendwelcher ‚praktischen An-
wendungen, sondern nur um des Erkenntnisgewinnes willen,
sein Ziel verfolgt, hat hiernach Anspruch. auf den Namen
philosophischen Denkens.
In der Tat hat das. Wort Philosophie zunächst in dieser
weitesten Bedeutung. zur Bezeichnung der Anfänge ziel-
bewußten wissenschaftlichen Nachdenkens im Gegen-
satz zur vorwissenschaftlichen, mythologischen Erklärung der
Erscheinungen Anwendung gefunden. Philosophie in diesem
Sinne ist identisch mit der Gesamtheit rein wissenschaftlicher
Bestrebungen; soweit sich einzelne Forschungszweige aus
diesem Ganzen. zu selbständigen Wissenschaften entwickeln,
bleiben. sie der philosophischen Gesamtwissenschaft als Teile
oder besondere „Philosophien“ untergeordnet. Derselben weiten
Bedeutung des Namens Philosophie hat einst die Organisation
unserer Hochschulen Rechnung getragen, wenn sie die Ge-
samtheit der rein theoretischen Wissenchaften zu einer philo-
sophischen Facultät zusamenfaßte.
Diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes hat sich indessen
nicht erhalten, sondern es ist eine engere Bedeutung an ihre
Stelle getreten. Je weiter die selbständige Entwicklung der
Einzelwissenschaften fortschritt, um so weniger machte sich
das Bedürfnis fühlbar, diese Wissenschaften in ihrer CGesamt-
heit durch einen Namen zu charakterisieren, der das selbst-
verständliche Merkmal wissenschaftlicher Arbeit, das Streben