Y $ 1. Der Begriff der Philosophie.
schung gegenüber der Speclalforschung bedingt. Während die
letztere uns niemals endgültige Klarheit gewähren kann, weil
sie innerhalb ihres Forschungsgebietes nicht über die Be-
rechtigung ihrer Grundbegriffe und Methoden Auskunft zu
geben vermag, suchen jene „erkennitnistheoretischen“ Unter-
suchungen diese Lücke auszufüllen und eben dadurch unserem
Klarheitebedürfnis letzte Befriedigung zu schaffen. Sie haben
daher im Gegensatz zu den Untersuchungen der Specialforschung
in der Tat gegründeten Anspruch auf den Namen „philo-
sophischer“ Untersuchungen, Andererseits sprechen wir im
selben Sinne des Wortes auch da, wo innerhalb der Einzel-
forschung selbst ein Gedanke zu Tage tritt, der letzte Klarheit
zu verbreiten scheint, von philosophischen Geiste und philo-
sophischer. Tat,
Dasselbe Streben nach endgültiger Klarheit ist es endlich,
welches, wie die eben bezeichneten Bestrebungen der theo-
retischen, so auch diejenigen der sogenannten praktischen
Philosophie beherrscht, der Wissenschaft von den Werten und
Normen unseres Daseins. Während die theoretische Forschung
auf Erkenntnis um ihrer selbst willen abzielt, bemüht
sich. die praktische Philosophie, die Erkenntnis den letzten
Zwecken dienstbar zu machen, die Normen richtigen Wollens
und Handelns endgültig zu bestimmen. Man sieht unmittelbar,
daß auch diese Bestrebungen unter den oben bezeichneten
Gesichtspunkt fallen: auch sie richten sich ja auf nichts
anderes als auf den Gewinn letzter Klarheit, speziell be-
züglich der Ziele und Werte unseres Daseins. Was den Unter-
schied des Weisen vom Toren im praktischen wie im theo-
retischen Gebiete ausmacht, ist eben die Klarheit, die der
Weise hier über den Zusammenhang der Tatsachen, dort über
die Ziele seines Wollens sich zu eigen macht. Wie auf dem
Gebiete der theoretischen Wissenschaft der Gegensatz zwischen
dem beunruhigenden Chaos der Erscheinungen und der Ruhe
begrifflich klarer Erkenntnis der Zusammenhänge, so auf dem
praktischen Gebiete der Gegensatz zwischen der Trübe plan-
und zielloser Lebensführung auf der einen, der Klarheit eines
durch Erkenntnis der Werte und durch entsprechende allge-
meine Maximen geregelten Verhaltens auf der anderen Seite.