Full text: Einleitung in die Philosophie

$ 2. Philosophische Probleme. 
Zusammenfassend können wir hiıernach sagen: 
Philosophisches Streben ist überall identisch mit 
Streben nach Klarheit: ursprünglich im weitesten Sinne 
mit wissenschaftlichem ‚Streben überhaupt im Gegensatz zum 
unwissenschäftlichen Denken; weiterhin aber mit Streben nach 
letzter Klarheit im Gegensatz zu jeder Art des Denkens, 
welche sich mit Ergebnissen begnügt, die das Klarheits- 
bedürfnis an irgend einem Punkte nur unvollständig befriedigen. 
In solchem Streben nach letzter Klarheit finden wir das ge- 
meinsame Merkmal all jener Bestrebungen, auf weiche der 
Name Philosophie nach dem heutigen Sprachgebrauch An- 
wendung findet. Die metaphysischen Welterklärungsversuche 
ebensowohl wie die erkenninistheoretischen Untersuchungen, 
und die Bestrebungen der praktischen Philosophie so gut wie 
jene der theoretischen sind durch dieses Streben bedingt und 
eben dadurch gegenüber dem unwissenschaftlichen Denken wie 
gegenüber der Specialforschung charakterisiert. 
$ 2. Philosophische Probleme. 
In höherem oder geringerem Grade, auf ınehr oder minder 
weiten Gebieten des KErkennens und Handelns und vielfach 
niedergehalten sowohl durch äußere Kinflüsse als auch dureh 
eine Fülle anders gerichteter Neigungen und Bestrebungen 
macht sich das Bedürfnis nach Klarheit als gemeinsames 
Erbteil der menschlichen Individuen aller Völker und Zeiten 
geltend. Nicht bloß der wissenschaftiichen Forschung, sondern 
auch bereits den Erklärungsversuchen des kindlichen, vorwissen- 
schaftlichen Denkens liegt dieses Bedürfnis zu Grunde: denn was 
heißt Erklären anderes, als eben größere Klarheit schaffen? 
Aber nur in den seltensten Fällen sind die Bedingungen 
dafür gegeben, daß aus den gelegentlichen Regungen dieses 
Bedürfnisses ein zielbewußtes und folgerichtiges Streben nach 
Klarheit wird, daß aus jener philosophischen Anlage sich 
Philosophie entwickelt. Die notwendige Voraussetzung für 
solche Entwicklung ist, daß der Mangel an Klarheit sich all- 
gemein als ein Mangel fühlbar macht — daß aus der in
	        
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