Full text: Einleitung in die Philosophie

314 & 31. Das Ich. 
ersetzt. Wenn wir etwa sagen, daß in der Prädication 
die Nachwirkung vergangener Erlebnisse als Factor 
enthalten sei, wenn wir diese Nachwirkung auch im Augen- 
blicke des Urteiles nicht als solche bemerken (vgl. oben S. 221), 
so haben wir in der "Tat durch diese Analyse an die Stelle 
des im Urteil unmittelbar gegebenen Bewußtseinstatbestandes 
etwas Neues gesetzt. Aber der Wert solcher Analyse besteht 
eben nicht in einer Erkenntnis jenes einzelnen Bewußt- 
seinstatbestandes, — der als solcher überhaupt keine Ana- 
lyse zuläßt —, sondern in der Erkenntnis des gesetzmäßigen 
Zusammenhanges verschiedener solcher Tatbestände. Wenn 
wir sagen, daß in irgend einem Bewußtseinserlebnis eine ander- 
weitige Tatsache enthalten sei, obwohl sie nicht unmittelbar 
mit jenem gegeben ist, so beurteilen wir nicht mehr die un- 
mittelbar gegebenen Bewußtseinserlebnisse selbst, sondern den 
gesetzmäßigen Zusammenhang der Bewußtseinstatsachen. Wir 
sagen, daß in der Prädication jene Nachwirkung. des Ver- 
gangenen als Factor enthalten sei, weil einerseits die Prädica- 
tion nicht ohne jene vorhergegangenen Erlebnisse zu Stande 
kommen. kann, auf die sich die Bedeutung des  Prädicats- 
begriffs gründet, und weil wir andererseits im Anschluß an 
die Prädication jene Nachwirkungen tatsächlich jedesmal be- 
merken können, sobald wir unsere Aufmerksamkeit anf die 
Bedeutung des Prädicatsbegriffes lenken. 
Es steht nichts im Wege, diese dauernden gesetzmäßigen 
Zusammenhänge, welche unser gesamtes psychisches Leben be- 
herrschen, als unbewußte Factoren unseres Lebens oder als 
unbewußte psychische Tatsachen!) zu bezeichnen. Nur 
dürfen wir nie vergessen, daß wir in diesem Begriff des um- 
i) Mit der Einführung des Begriffs unbemerkter. oder unbewnßter 
psychischer Tatsachen wird die frühere Definition des Gegensatzes von 
Physischem und Psychischem ungültig, indem von hier ab auch die 
Existenz „psychischer“ Tatsachen unabhängig von unserer Wahr- 
nehmung derselben behauptet wird: wie das Physische, 50 tritt auch 
Aas unbemerkte Psychische dem Flusse der unmittelbar vorgefundenen 
Bewußtseinstatsachen als ein selbständig Beharrendes gegenüber. Den 
Unterschied beider Arten des „beharrlichen Seins‘ zeigen die Ausfüh- 
rungen des Textes,
	        
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