® 8 32. Das empiristische Weltbild.
gesetzmäßigen Zusammenhänge der Erscheinungen. Wie wir
die sichtbaren und greifbaren Dinge unserer Umgebung nur
als gesetzmäßige Zusammenhänge von Wahrnehmungen kennen,
so bezeichnen auch die hypothetischen „unsichtbaren Massen“
und „Kräfte“ nichts Anderes als Zusammenhänge derselben
Art; der Wert dieser Begriffe baruht nur darin, daß durch
ihre Einführung die Beschreibung unserer Erfahrungen eine
Vereinfachung erfährt. In keiner Weise findet sich von diesem
Gesichtspunkte aus das Dogma bestätigt, daß alle Natur-
erscheinungen mechanisch erklärt werden müßten: nur inso-
fern: die mechanischen Analogien ein vereinfıchendes Bild für
die Darstellung der Tatsachen anderer Gebiete ergeben, ist
ihre Anwendung zur Erklärung dieser Tatsachen berechtigt.
Nur in der einfachsten Zusammenfassung der beobachteten
Gesetzmäßigkeiten der Erscheinungen besteht die empirische
Bedeutung des chımischen. Atombegriffes mit seinen Valenzen,
der Molekularkräfte, der fernwirkenden Kräfte, der elektrischen
Massen, des Energiebegriffes.'‘) Über die beobachteten Er-
scheinungen und dieigesctzmäßigen Zusammenhänge, in welchen
wir jeweils eine größere Gesamihuit derselben begreifen, geht
unser Wissen nicht hinaus: wo unsere Beobachtung der Er-
seheinungen. einerseits, die begriffliche Zusammenfassung der-
selben in Form constanter Gesetze andererseits ihr Ende findet,
1) So erfreulich die Fortachritte sind, welche die im Texte bezeich-
nete Anschauung neuerdings in naturwissenschaftlichen Kreisen macht,
go ist doch vor einer Übertreibung derseiben zu warnen, die sich in der
vorzeitigen Beseitigung eines jener Hiifsbegriffe zeigt. Solange
wir kein besseres Bild zur Beschreibung der chemischen Tatsachen
besitzen, als das Atom mit seinen Valenzen, dürfen wir diesen Hiüfs-
begriff nicht über Bord werfen. Als reines Bild für die Zusammen-
fassung der Erscheinungen steht dieser Atombegriff und das
Avogadrosche Gesetz völlig auf gleicher Stufe mit dem Energiebegriß
und dem ersten Hauptsatze der mechanischen Wärmetheorie. Daß der
Atombegriff der Gefahr der Hypostasierung mehr ausgesetzt ist, als der
Energiebegriff, ist freilich zuzugeben; andererseits ist die Gefahr nicht
zu unterschützen, die in der Ausdehnung des Gesetzes der Erhaltung
der Energie über das erfahrungsmäßig festgestellte Gebiet seiner Gültig-
keit liegt — wenn anders dieses Gesetz nicht als bloße Folge der
Definition bestimmter physikalischer Maßbegriffe aufgefaßt wird.
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